Rund Menorca mit Cowry 2004

"Cowry" ist eine 30 Jahre alte Standfast 40, eine schnelle aber komfortable Segelyacht, riesig im Vergleich zu Lucy. Papa´s Boot, für 3 Wochen konnten wir es haben, um Menorca zu umrunden. 

 

Text: Sabine (kursiv) und Marcus

1. Vorbereitungen

Freitag 6 August 2004 - Portocolom

Nach der Arbeit holt Marcus mich ab. Abschied von der Katze, die bei M&P und Maren in besten Händen ist. Um 15:00 mit dem Audi nach Hamburg zum Flughafen. Marcus lässt mich mit dem Gepäck am Terminal 1 raus und parkt in der Sportallee. Wir checken rechtzeitg ein um einen Fensterplatz in Reihe 19 zu ergattern und entspannen uns bei einer Tasse Kaffee. Um 18:10 heben wir ab, 20:55 Ankunft Palma de Mallorca. Marcus´ Vater Winfried holt uns mit dem Twingo ab. Auf dem Weg nach Portocolom essen wir "Frites mallorquinas" und gönnen uns ein Bier und einen Wein. Gegen Mitternacht ziehen wir auf Cowry ein, die an einem wuselig überfüllt aussehenden Steg liegt. Heidi hat uns die Achterkajüte vorbereitet. Ich bin groggy von der Reise und der Hitze und verziehe mich um 1:00. Wir schlafen etwas unruhig wegen der ungewohnten Hitze, liegen in der Achterkajüte aber sehr bequem. Marcus´ Vater schläft vorne.

"Frites mallorquinas" ist eine mallorcinische Spezialität aus Innereien, Kartoffeln, Auberginen und anderem Gemüse, sozusagen ein Reste-Essen wie Pizza, Paella und Minestrone. Sowas ist immer am leckersten. Man wird jedoch von den Kellnern gewarnt, denn viele Touristen stellen sich unter "frites" etwas anderes vor, und beschweren sich dann hinterher wenn sie statt goldbraun fritierter Kartoffelstäbchen eine Pampe aus Innereien und Gemüse vorgesetzt bekommen.

Cowry war 2 Wochen vor unserer Ankunft zu Wasser gelassen worden, und einiges war noch zu tun. Die Batterien hatten den Winter nicht unbeschadet überstanden, und neue waren bestellt aber noch nicht angekommen.

Samstag 7 August 2004 - Portocolom

Bis 9:00 geschlafen, W rüsselt schon rum. Wir frühstücken zusammen und bekommen erste Einblicke in Cowry´s Funktionen, Eigenarten und Zubehör. W fährt nach Santa Ponca, um neue Batterien zu holen; M und ich machen es uns bequem. Neben uns macht ein spanisches Paar mittleren Alters mit einer 28er Sun Odyssee fest. Im Laufe der nächten Tage kann ich beobachten, wie entspannt und zufrieden die beiden wirken, für mich ein absolut erstrebenswerter Zustand. Gegenüber von Cowry liegt ein Boot mit Heimathafen Rostock. Der Eigner kommt aus Stuttgart und macht Charterfahrten. Er beschwert sich über teuere Liegeplätze und unfreundliche Yachties, bla, bla, bla… - hoppalong!!! Als W zurück ist, hieven wir die Batterien an Bord und die Reckermänner bauen sie ein. Alles funktioniert und M und ich erhalten weitere Ratschläge und Hinweise, bis wir uns um 20:00 sputen müssen, weil wir mit Krones zum Essen verabredet sind.

Eine Irrfahrt durch die wunderschöne Abendstimmung führt uns nach Cala Figuera zum Haus der Familie Krone. Er: Professor für Stoffwechselirgendwas an der Uni-Klinik Köln; Sie: Mutter dreier Kinder, die Tochter in der Damen-Hockey-Nationalmannschaft; Aisha: das Kalb von einem netten Hund. Das Haus liegt oberhalb einer kleinen Bucht vor dem Hafen, es ist wunderschön, hat 5 Schlafzimmer, drei Bäder, einen riesigen Garten, Pool und diese tolle Dachterrasse, von der aus wir bei einem kleinen Snack und einem Glas Wein den Blick über die Bucht in Richtung Afrika genießen. Danach gehts weiter in ein Restaurant direkt an der Bucht von Cala Figuera. M und ich essen sehr leckere Paella, W und Annemarie Fischsuppe mit reichlich Krustentieren, und Willi extra für ihn zubereitete, eingelegte Sardinen, die wie zarter Matjes schmecken. Willi lädt uns alle ein. Nach diesem netten Abend liegen wir um 1:30 in der Koje, nachdem M und ich noch allein und in aller Ruhe im Cockpit ein Glas Rotwein und die nächtliche Stimmung im Hafen genießen.

Kleine Einführung in den Billerbeck´schen Spezialwortschatz: 

M&P: Mama und Papa 

Rüsseln: basteln, reparieren, aufräumen, saubermachen; allgemein etwas notwendiges oder nützliches tun. 

Nüsseln: nichtstun, rumhängen, lesen, Musik hören, etc. 

Hoppalong: abgeleitet vom amerikanischen hop along, bedeutet soviel wie "los jetzt"; im obigen Falle wohl eher "Schnauze, verpiss dich".

Sonntag 8 August 2004 - Portocolom

Wir sind um 11:00 mit Krones zum Segeln verabredet und bereiten uns und Cowry darauf vor. Das Ablegemanöver klappt, wir legen die Vorleine auf Slip und bei 3 - 4 Bft rückwärts ab. Das Dingi ist im Schlepp, stört aber nicht. W hat M für heute zum Kapitän ernannt und so geht M auf ca.150° und steuert aus dem Hafen heraus. Als ich mich nach dem Fender- und Tampenverstauen ins Cockpit setze, zittern mir die Hände. Es ist doch nicht ganz ohne, ein Boot von 40 Fuß zu bedienen, und ich bin noch zu aufgeregt, um mich richtig freuen zu können. Aisha und Willi sind seekrank. Winni geht nach unten, um einen Thunfischsalat zuzubereiten und kommt ebenfalls seekrank wieder nach oben.

Es ist nicht besonders windig, aber ein starker Schwell läßt das Schiff stark schaukeln. Auch mir setzt das Schwanken zu, mir wird aber nicht schlecht. Annemarie geht es blendend. Nach ca. 2 Std. drehen wir bei, stellen das Großsegel in Lee und das Vorsegel in Luv fest. M und ich springen in das erfrischende Mittelmeer. Nachdem ich meinen Kopf mehrmals ins Wasser gehalten habe, geht es mir wieder sehr gut. Auf der Rückfahrt suche ich vorn unter den Segeln Schatten, W liegt flach in der Kabine, Willi ist wieder oben und M segelt. Unser Liegeplatz ist noch frei und das Anlegemanöver klappt super. M und ich sind zufrieden, W scheinbar auch. Krones gehen von Bord, M und W rüsseln rum. Ein Restaurant mit einheimischer Küche in Porto Christo ist leider geschlossen ist und so gehen wir um 21:30 in einem Hafenrestaurant essen. Es gibt Schweinelende mit Pommes, Bier und Wein, ich lade die Männer ein.

Die Probefahrt klappt tatsächlich tadellos, besonders das Ab- und Anlegen, was Sabine und ich alleine bewerkstelligen. Cowry lässt sich sehr leicht manövrieren und reagiert sofort auf den kleinsten Gasstoß, ich hätte mehr Trägheit erwartet. Auch rückwärts reagiert sie gut aufs Ruder, was mich am meisten überrascht.

Montag 9 August 2004 - Portocolom 

M und ich fahren mit dem Twingo einkaufen, haltbares für die Tour und und Pollo fürs Abendessen. Auf der Suche nach einem Internetcafé kommen wir in den touristischen Teil von Portocolom, den ich noch nicht kannte. Die kleine Bucht "Marsal" mit ihrem Sandstrand ist von Hotels umsäumt, es ist dort viel touristischer als unten am Hafen. Das Internetcafé hat leider geschlossen, und so bleibt unser Problem mit der Wettervorhersage. Zurück an Bord geht´s weiter mit den Vorbereitungen. Die hintere Backskiste wird ausgeräumt, der Inhalt füllt das gesamte Cockpit. Wahnsinn, was da alles reinpasst. Zwei alte Paddel und eine krumme Stange werden entsorgt, und W macht eine Skizze für einen 3-fach Schlauchanschluss. Das nächste Problem ist das Heraufhieven des 4 PS Mercury Aussenborders. Der Motor besitzt keinerlei Ösen an denen man Leinen zum auf oder herablassen befestigen kann. W ist ziemlich genervt. Die Rollfock lässt sich nur sehr schwer ein- und ausrollen, vermutlich Lagerschaden. M ist besorgt, wir müssen sehen wie wir zurechtkommen. Um die Lazy-Jacks und den Windmesser anzubringen, muss W in den Mast. M zieht und ich sichere ihn, alles OK. Die inzwischen an Backbord von uns festgemachten Holländer geniessen die artistische Einlage.

Auch wenn es noch 1000 Dinge zu besprechen gibt, machen wir um 21:00 Schluss und M macht sein leckeres Hähnchengericht. W geht um 23:00 ins Bett, wir sitzen noch einen Augenblick im Cockpit und fragen uns ob wir alle wichtigen Dinge besprochen haben. Aber wie sollen 16 Jahre Erfahrung mit der Standfast 40 in solch kurzer Zeit übermittelt werden. Wir stellen den Wecker auf 6:00 und verziehen uns in die brütend heisse Achterkajüte, aus der wir noch eine Grille entfernen, die sich dann irgendwo im Rigg niederlässt und durch ihre Zirperei M zweimal aus dem Bett holt. Die Überraschung, von der M schon im Flugzeug gesprochen hat, habe ich heute bekommen: ein Unterwassergehäuse für meine Nikon Digitalkamera. Er ist verrückt, aber er sagt, schließlich kommt sie auch ihm zugute.

Zum Thema Seewetter: Im Mittelmeer gibt es zwar auch tägliche Vorhersagen, aber leider in einer mir unbekannten Sprache. Klar könnte ich die notwendigen Vokabeln lernen aber ich ziehe es vor die deutschen Wetterberichte für die Balearen zu bekommen. Aber woher? In der Ostsee ist man verwöhnt von den (meist) guten Wetterberichten. Mein Vater behauptet, die Spanier würden sowieso immer nur gutes Wetter vorhersagen. Ausserdem ist im Sommer das lokale Seewetter auf den Balearen schwer vorherzusagen, die gefährlichen plötzlichen Gewitter schon gar nicht. So verlassen sich die Segler hier auch mehr oder weniger auf ihr Gespür. Aktuelle Wettervorhersagen werden unter den nordeuropäischen Crews (Briten, Holländer, Deutsche), denen das Einholen der Wettervorhersage vor dem Auslaufen ins Blut übergegangen ist, rege ausgetauscht. Spanier oder Franzosen braucht man gar nicht erst zu fragen, sie deuten auf den blauen Himmel und zucken mit den Schultern. Dass spanische Boote in diesen Gewässern eher verloren gehen als ausländische ist mir nicht bekannt, aber es beruhigt mein Nord- und Ostseegeprägtes Gewissen ungemein, eine halbwegs zuverlässige Wettervorhersage für die kommenden Tage zu haben.

So gibt es mittlerweile in jeder Hafenstadt mindestens ein Internetcafe, man kann versuchen über Mittel- oder Langwelle den Deutschlandfunk oder Deutsche Welle zu bekommen (das richtige Equipment vorausgesetzt), oder sich über wap die aktuelle Wettervorhersage aufs Handy zu holen. Das ist zwar schweineteuer, geht aber sehr schnell und einfach, und beruhigt wie gesagt das Gewissen. So ist das auch meine bevorzugte Methode an das aktuelle Seewetter für die Balearen zu kommen. 

Was die Bedienung und das Handling von Cowry angeht mache ich mir keine Sorgen. Das einzige wovor ich Bammel habe ist ein Problem mit dem Motor/Elektrik/Elektronik. Da stecke ich einfach noch zu wenig drin als dass ich mir zutrauen würde da schnell einen Schaden finden und beheben zu können. Mein Vater wischt meine Bedenken weg, "kein Problem, das kriegst du schon hin". Ich widerspreche ihm nicht und hoffe einfach dass alles halten wird.

2. Portocolom

Dienstag 10 August 2004

Winni fährt um 6:30 zum Flughafen, wir stehen auf und verabschieden uns. Nun sind wir allein mit Cowry und müssen uns das erstmal klar machen. Wir bleiben diesen Tag noch in Portocolom, bummeln durch den Ort, trinken mit Einheimischen um 7:00 morgens einen Kaffee im Hafencafé, gehen zurück an Bord und nüsseln nun zum erstam Mal statt zu rüsseln. Um 10:00 gehen wir auf den Wochenmarkt und kaufen ein Hemd für M und in einem kleinen Laden ein paar Schuhe und einen Bikini-Wickelrock für mich. Dann bummeln wir durch den Ort bis zur Kirche. Hier hat man einen schönen Blick über die Bucht, im Vordergrund kleine Fischerboote vor ihren Bootsgaragen, rechts der Club Nautico und unser Schwimmsteg, links im Hintergrund ankernde und an Moorings liegende Yachten. Es ist heiss, und wir sind froh, auf Cowry Schatten zu finden.

Von den holländischen Nachbarn wird eine stabile Wetterlage mit 3-4 Bft aus SW prophezeit. M ruft das Balearen-Seewetter auch per WAP übers Handy ab. Ich fühle mich total sicher mit M, weil er alles vorbereitet, nachdenkt und nichts Hals-über-Kopf entscheidet. Ich bin überhaupt nicht nervös, fühle mich ausgeglichen und zufrieden.

Gegen Abend hieven wir mit Hilfe des Falls den Motor ins Schlauchboot, bereiten die Kamera vor und fahren an den kleinen Strand nördlich der Einfahrt in die Bucht. Festgebunden an einer Boje lassen wir das Dinghi allein und springen ins Wasser. M macht Fotos, ich muss mich erst an das kibbelige, sehr salzige Wasser gewöhnen. So gerne ich auch auf dem Wasser bin, im Wasser bin ich leider etwas unbeholfen. Also - mehr schwimmen! Es ist merkwürdig, die Kamera ins Wasser zu lassen, reflexartig versuche ich sie hoch zu halten. 

Nächstes Mal ziehe ich Flossen an, das ist wahrscheinlich weniger anstrengend. Zurück an Bord, frisch geduscht ziehe ich mein neues Sommerkleid an und fühle mich plötzlich wie im Urlaub. Jetzt ist es endlich da, das Gefühl der Vorfreude mit diesem Traumschiff im Mittelmeer segeln zu können - Wahnsinn! Der Traum geht in Erfüllung - "Nimm mich mit, nimm mich mit, nimm mich mit Kapitän, auf das Abenteuer Liebe und so weiter, du wirst sehn, es wird gehn, es wird doppelt, dreifach schön, mit Dir als mein Begleiter!"

Wir essen Reste vom Vorabend und gehen auf ein Bier und einen Wein in die kleine Hafenbar am Club Nautico. Wir schlafen jetzt vorne, denn wegen des Windfängers ist es dort viel angenehmer als achtern.

 

Bier und Wein, B&W - die klassische Kombination. Ich Bier, sie Wein, wie auch anders. Eine in allen Kulturen bewährte Aufteilung zwischen den Geschlechtern. Wie auf unseren Ostseetörns geht unser erster Weg nach dem Festmachen meist zur Hafenkneipe, um das lokale Flair bei B&W in uns aufzunehmen. Eine schöne Tradition, die wir auch im Mittelmeer nicht missen möchten. Hicks!

3. Cala Rajada - Tapas und Päckchen

Mittwoch 11 August 2004

7:30 - aufstehn! Es geht los! Duschen (heute stinkt das Wasser in den öffentlichen sanitären Anlagen mehr als sonst), Wasser nachfüllen, Kaffee kochen. Die Tankstelle öffnet um 8:00. Das Manöver klappt super, wir tanken für 35€, ich hole derweil frische Brötchen, und um halb 9 verlassen wir den Hafen von Portocolom. Der Wind kommt aus Südwest, und Cowry segelt mit 5-6 kn nach Nordost die Küste entlang, das Dinghi surft hoch angebunden hinterher, perfekt! M ist begeistert, wie leicht das Schiff zu handhaben ist und wie gut und schnell es regiert. Wir frühstücken und machen es uns im Cockpit gemütlich. Vorbei geht´s an der Bucht von Arta, mit Cala Millor etc. Ich beginne zu schreiben, es fällt mir erstaunlich leicht. Wir nähern uns unserem ersten Etappenziel, einer Ankerbucht im Norden von Cala Rajada. Wir sind früh, und so beschließen wir, kurz mal in den Hafen reinzugucken. Nur mal reinschauen! Die Mole ist gähnend leer und so beschließen wir, kurzerhand festzumachen. Um 15:00 liegen wir fest vertäut längsseits an der Mole, mit schönem Blick auf den Ort. Der Platz kostet mit 21€ weniger als wir erwartet hatten. Es ist sehr heiss.

Tja, und dann kommen sie: die anderen Yachten. Hinter uns legt ein deutsches Ehepaar an, vor uns eine 6-köpfige deutsche Chartercrew. Mit dem Wind nimmt die Zahl der einlaufenden Yachten zu. M wird nervös und bereut, dass wir nicht geankert haben. Dann legt auch noch das Monster von Fährschiff (2x täglich Ciutadella/Menorca) direkt vor uns an. Alles nicht so wie wir uns das vorgestellt haben. Gegen 21:00 liegen wir bereits mit 4 anderen Yachten im Päckchen und haben alle Fender und Fenderbretter draussen. Nachdem die dritte Yacht mit ihren Festmachern direkt an der Pier festmacht, ist Cowry etwas entlastet. Wir duschen und gehen, nicht ganz sorgenfrei, in den Ort zum Essen. Auf der anderen Seite des Hafenbeckens, direkt gegenüber, finden wir einen Platz direkt am Wasser, Cowry fest im Blick. Cala Rajada ist proppenvoll mit Urlaubern, nicht wieder zu erkennen, wenn man an unsere Besuche im Winter denkt. Umso erstaunter sind wir über das superleckere Essen, serviert von einem sehr netten Kellner. Es gibt Encheladas, Brot mit Aioli und verschidene Tapas. Wir entspannen uns, genau wie der Wind, und genießen den Abend, beobachten Sternschnuppen und zotteln nach einem Abschuss-Osborne zurück zum Schiff, das zwar eingeengt aber ruhig an der Mole liegt. Die Nacht wird erstaunlich ruhig.

Ganz so entspannt und ruhig habe ich diese Nacht nicht in Erinnerung. Vor Cala Rajada waren wir gewarnt worden - nicht nur von meinem Vater, auch der Törnführer "Die Balearen" warnt vor endloser Päckchenbildung im Vorhafen, dem Fährdampfer und dem deutschen Touristenmob. Cala Rajada ist zu 95% deutsch, den Rest bilden ein paar versprengte Spanier. Wir kannten es aus den Wintermonaten, an denen es ein ruhiges verschlafenes, aber trotzdem lebendiges kleines Örtchen darstellt. Nett. Welten entfernt von den Geisterstädten und Touristenruinen von Cala Millor oder Canyamel. Wie wäre Cala Rajada im Sommer? Uns konnte man ja viel erzählen, wir wollten es selbst sehen.

Um 15:00 konnten wir uns nicht vorstellen, wie die Pier um 20:00 aussehen würde. Ich habe teilweise Blut und Wasser geschwitzt. Ich habe die Boote irgendwann nicht mehr gezählt, die an uns längsseits gegangen sind, es müssen aber mindestens 6 gewesen sein. Bei starkem SW-Wind lag zunächst unser gesamtes Päckchen an Cowry´s Festmachern, die entsprechend wie Klaviersaiten gespannt waren. Erst als ich die sorg- und arglosen, gut gelaunten spanischen und französischen Nachbar-Skipper drauf aufmerksam machte, dass auch sie Leinen an Land bringen müssten um unsere zu entlasten, reagierten sie nach kurzer Verständnislosigkeit ("was will der gringo von uns"), und unter emsiger Betriebsamkeit wurden allerlei Leinen ausgebracht. Erst dann war ich etwas entspannter und wir konnten in die Stadt gehen. Insgesamt haben sich alle sehr nett und rücksichtsvoll benommen, und hinterließen keine Spuren an Deck. Aber dass ich die Nacht ruhig geschlagen hätte, kann ich nicht behaupten.

4. Nach Menorca - Traumbucht Cala Maccarella

Donnerstag 12 August 2004

Die Nacht ist ohne Schaden überstanden und wir sind um eine Erfahrung reicher. Als die Menorca-Fähre um 9:00 ablegt, lösen sich die Päckchen problemlos auf. Wir brauchen einige Zeit, um Fender und Leinen wieder zu verstauen. M korrigiert den Kurs in Richtung Cala Morell an der NW-Küste von Menorca. Wieder rauscht Cowry nur unter Vorsegel los und macht 5 - 6 kn - perfekt! Nach ca. 10 sm entscheiden wir uns wegen der angesagten NO-Winde doch zunächst für die Südküste und suchen uns aus den verschiedenen Büchern die Cala Macharella aus, die auch bei Winden aus SW in der kleinen Nebenbucht Macharellata geschützt ist. 

Als sich in Cala Rajada um 9:00 das Päckchen auflöst bin ich wieder von der leichten Manövrierfähigkeit Cowrys fasziniert. Zusammen mit 20 anderen ablegenden Schiffen rangieren wir uns problemlos vor- und rückwärts aus dem kleinen Hafenbecken heraus. Einfacher wäre das mit Lucy auch nicht gewesen.

Schon von weitem erkennt man den riesigen Hotelkomplex der benacharten Cala Galbaba, die ca. 1,5 sm östlich liegt. Als wir in die Cala Macharella einlaufen, herrscht ziemlicher Schwell, und der wunderschöne Anblick gerät etwas ins Hintertreffen, weil wir erst nach 2 Versuchen den richtigen Ankerplatz finden, mit Heckleine zu den Felsen. Aber dann - ein Traum! Türkisfarbenes Wasser über dem sandigen Boden, unterbrochen von dunklen Flecken, die von Seegras bewachsen sind. Schwärme kleiner Fische umrunden Cowry. Wir sind umragt von ca. 30 m hohen, weissen, von Pinien bewachsenen Klippen, in denen es einige Höhlen gibt. Eine davon ist von jungen Zotteligen bewohnt. Überhaupt gibt es hier viele Zottelige, die ihre Hängematten in dem schattigen Wäldchen hinter dem Strand aufgehängt oder einfach so ein Lager aufgeschlagen haben.

Nach einer traumhaften Überfahrt bei perfektem Segelwind ankern wir in der Cala Macharella. Leider ist die nach Westen einschneidende Nebenbucht Macharellata für Boote durch Bojen gesperrt (sonst hätten wir noch geschützter gelegen), so ankern wir im Scheitelpunkt beider Buchten. Ich gebe nach der Devise "mehr ist besser" die gesamte Kette, und verlängere sie sogar noch mit einer doppelten Schot. Und nach achtern bringe ich eine Landleine zum Felsen aus, "falls der Wind umschlagen sollte". Die anderen müssen mich für bekloppt halten, aber ich muss meine immer latent vorhandene Angst vor einer Havarie durch doppelte Vorsichtsmassnahmen ruhig stellen.

Ich versuche zu schnorcheln, bin anfangs verkrampft, aber nachdem ich mich zusammenreiße, geht es und macht plötzlich tierischen Spaß. Kleine Fische schwimmen auf mich zu, unten am Grund schwimmen große, sandfarbene. Man kann in 7m Tiefe jeden kleinen Stein und jeden Halm erkennen, fantastisch! Ich kann gar nicht wieder aufhören und ertappe mich dabei wie ich einfach ein paar Fischen hinterher schwimme, ohne mich um die Richtung zu kümmern. Der Anker liegt mit 60 m Kette ruhig auf dem Sandboden. M befestigt achtern noch eine Sicherheitsleine am Felsen und ich fotografiere. Hoffentlich werden die Bilder etwas! Wir fahren mit dem Dinghi an den Strand der Macharella und klettern von dort aus über die Klippen in die Macharellata.

Der Strand der großen Bucht wird von aufgeschwemmtem Seegras geschützt. Das gesamte Areal steht unter Naturschutz. Wir klettern an den Höhlen vorbei in die kleine Bucht mit ihrem allerfeinsten Sandstrand. Bevor wir mit dem Dinghi zurück zu Cowry fahren, nehmen wir an der kleinen Strandbar "Susi" noch B&W. Wir schnorcheln noch eine Runde, dann gibt's Abendessen: Pellkartoffeln mit Alioli und einem Salat aus Thunfisch, Kapern, Tomaten, Knoblauch und Zwiebeln. Llllllecker! Während wir den Abend geniessen entschließen wir uns, den nächsten Tag in der Bucht zu bleiben. Auch der Sternenhimmel zeigt sich von seiner besten Seite, die Milchstraße dick und breit über uns und immer wieder Sternschnuppen. Grilli scheint irgendwo auf der Überfahrt über Bord gegangen zu sein, und so wird es eine stille Nacht.

5. Mord in der Cala Galbana

Freitag 13 August 2004

Ein fauler Tag beginnt mit Joghurt und Pfirsich zum Frühstück. Wir fahren mit dem Dinghi zur Cala Macarella, um aufs Klo zu gehen und den Müll zu entsorgen. Die Toiletten bei "Susi´s" sind frisch geputzt, aber leider gibt es keinen Müllcontainer. Wir entsorgen unseren Bordmüll im Toilettenmülleimer, werden jedoch erwischt und ein aufgebrachter Angestellter weist mit dem Finger in Richtung Schlucht, wo wir am Eingang zum Strand eine kleine "Müllhalde" entdecken, zu der sich unsere Tüten gesellen. Die Schlucht ist grün und sehr fruchtbar, es riecht herrlich nach Gräsern und Bäumen. Inzwischen füllt sich der Strand langsam mit Menschen, und die Ameisenwanderung über die Klippen zur kleinen Macharellata beginnt. Die Zotteligen springen direkt vom Vorplatz ihrer Höhle ins Wasser. Auch die Bucht füllt sich immer mehr, Boot um Boot fährt herein um zu ankern, und mit Touristen überfüllte Glasbodenboote wuseln zwischen den Ankerliegern hin und her. Wunderschöne Buchten wie diese hat man eben nicht für sich allein. Den Nachmittag verbringen wir mit dösen, lesen, baden, schnorcheln.

Der vorhergesagte NO-Wind stellt sich als 4-5 aus SO heraus, so dass es gegen Abend ziemlich unruhig wird. M verzieht sich zu den Seekarten und ist die nächste halbe Stunde nicht ansprechbar, weil er sich Sorgen macht wegen des Schwells und des auffrischenden Windes. Wir beschließen bis 19:00 abzuwarten ob sich der Wind legt. Eine nach der anderen Yacht geht anker auf und als eine der letzten beschließen auch wir uns in die durch einen kleinen Felsvorsprung gegen östliche Winde geschützte Cala Galbana zu retten. Auch der vor uns liegende Franzose, der seit einer Stunde nervös seinen Anker beobachtet, geht mit uns Richtung Galbana. Mit dem Dinghi fährt M zur Felswand, um die Felsanker zu lösen. Es ist sehr wellig, und das Dinghi macht sich los. Es ist zwar mit einer Leine gesichert, ist nun aber für M nicht mehr erreichbar. Es hilft nichts - der Skipper muss ins Wasser. Egal, alles ist OK. Während M vorne am Ankerkasten ist und den Anker hochholt fahre ich langsam voraus gegen den hohen Schwell, um die Ankerwinde zu entlasten. Dann ist der Anker oben und wir motoren gegen Wind und Wellen die 1,5 sm in die Cala Galbana.

Der erste Eindruck wird von dem riesigen Hotel bestimmt, aber wenn man in die Bucht einbiegt sieht man, dass sie trotz Bebauung immer noch sehr schön ist. Der nördliche Teil ist erwartungsgemäß voller schutzsuchender Boote. Wir laufen langsam in das Ankerfeld und bemerken sofort die Ruhe die hier herrscht und lassen den Anker in einer Lücke zwischen den Booten fallen. Cowry bedrängt beim Schwojen eine französische Gib´Sea, so dass wir einen zweiten Anlauf starten, dem ein dritter folgt bis alles perfekt ist. Die Ankermanöver verlaufen in aller Ruhe, das Schiff und wir beide spielen uns aufeinander ein. Wir sind auch ein wenig stolz, das große Schiff auf so kleinem Raum perfekt geparkt zu haben. Die recht große Bucht ist umgeben von hohen Felswänden, öffnet sich aber zum Inland und ist entsprechend bebaut.

 

Ich beobachte die französische Familie neben uns: 2 kleine Kinder, Junge-Mädchen, ca 4-5 Jahre alt. Alle machen einen entspannten und zufriedenen Eindruck. Nach dem Duschen auf der winzigen Badeplattform machen die Eltern im Bademantel die beiden Kleinen ausgehfertig. Ein klitzekleines Schlauchboot bringt die hübsch angezogene Familie an Land. Ich glaube, Segeln ist gut für´s Gemüt. Jetzt wo ich anderen Seglern so nahe komme und Zeit habe sie zu beobachten, entdecke ich immer mehr entspannte Leute. Nicht nur Pensionäre, die so viel Geld haben dass sie sich sowieso keine Gedanken machen müssen, sondern auch Leute in unserem Alter wie die französische Familie. Oder das spanische Pärchen mit einem riesigen Schäferhund: nach einem Landausflug im winzigen Dingi steigt völlig gelassen erst das Vieh aus, dann die beiden ca. 60-70-jährigen. In aller Ruhe wird dann mit einem kleinen Kran der Außenborder an Deck gehievt, während Wau-Wau es sich auf der Schattenseite des kleinen Bootes gemütlich macht. Danach ein seelenruhiges Anker-auf-Manöver, und die 3 schippern raus - kein Geschrei, kein Geschimpfe, keine zickigen Anweisungen. In der Ruhe liegt die Kraft!

Wir paddeln an Land und begeben uns ins touristische Treiben. Wir paddeln an Land und begeben uns ins touristische Treiben. Eine Liveband tönt aus dem 10. Stock des Hotels über die Bucht, kleine Restaurants, Souvenirläden in denen ich Ansichtskarten kaufe, dann B&W mit Blick auf die Bucht. Zurück an Bord Abendessen: Bratkartoffeln mit Zwiebeln und Salami. Nach dem Essen erleide ich einen "Schwächeanfall", gehe früh ins Bett und schlafe sofort ein. Von irgendwo höre ich das Zirpen einer Grille, werde aber erst wach als M vor mir steht und von seiner nächtlichen Grillenjagd erzählt. Unsere Grille war also doch noch an Bord und hatte nachts zu einem mächtigen Gezirpe angesetzt. Diesmal nicht am Mast, sondern in der Kajüte im Niedergang unter der Treppe im Beutel mit den Tüddelbändern. M wollte sie mit einem umgedrehten Marmeladenglas lebend fangen, aber Grilli denkt gar nicht daran sich fangen zu lassen, und entwischt immer wieder in die Tiefe des Kastens. Als M ihn ausräumt, rennt sie am Boden hin und her, ihr Tod ist besiegelt und sie wird den Fischen zum Fraß vorgeworfen. Mein Jäger steigt zufrieden ins Bett und wir geniessen die restliche ruhige Nacht. 

Wir haben Glück, die Galbana ist gut geschützt gegen den Wind und Schwell, der jetzt zunehmend aus südlicher Richtung kommt. Zuletzt hat Cowry in der Macharella vor Anker gebockt wie ein Pferd. Wie auf großer Fahrt kletterte sie die Wellen hoch und fiel in die Täler. So bin ich heilfroh, als wir in der schon vollen Galbana ein Plätzchen finden. Es ist eng, viel enger als ich es jemals in einer Ankerbucht erlebt habe, aber wir haben keine Wahl. Irgendwo hier müssen wir eine Lücke finden, in die wir uns setzen können. Ich versuche den Anker so zu platzieren, dass einerseits möglichst viel Kette draussen ist und andererseits beim Schwojen anderen Booten nicht zu nahe zu kommen. Erst nach dem dritten Veruch bin ich zufrieden. Egal, lieber mehrmals versuchen, als Gefahr zu laufen irgendwo anzuecken. Und besserwisserische Kommentare von anderen Booten, oder hämisch-belustigte Zuschauer habe ich im Mittelmeer noch nicht entdeckt. Im Gegenteil: als wir bis auf einen halben Meter auf die an ihrer Badeplattform badende französische Mutter mit Kleinkind herandriften, lächelt sie uns zu als hätten wir sie gerade zum Kaffee eingeladen.

Nachts werde ich zum Mörder. Wer schon einmal eine Grille in 3 m Entfernung im Inneren eines Resonanzkörpers, das ein Boot nun mal darstellt, erlebt hat, kann mich vielleicht verstehen. Als ich sie am Boden der Bändselkiste entdecke, ist es zu spät für sie. Sie war tatsächlich die letzten beiden Nächte ruhig geblieben, wahrscheinlich verschreckt von dem Trubel in Cala Rajada. Nach der ruhigen Nacht in der Macharella hatte sie sich offensichtlich erholt und war nun wieder zur Höchstform aufgelaufen. Ich werfe sie über Bord und entlasse ihren Körper so wieder in den großen Kreislauf.

6. Nach Mahon

Samstag 14 August 2004

Es hat doch ganz gut geschaukelt durch den Schwell, der in die Bucht kommt, trotzdem werden wir erst gegen 9:00 wach. M setzt das Mittelstück zwischen den beiden Kojen ein, so dass man auch quer liegen könnte, je nachdem wie das Schiff sich bewegt. Ohne erst wieder an Land zu gehen, lichten wir nach einem leichten Frühstück den Anker und segeln Richtung Osten nach Mahon. Cowry freut sich ihres Lebens und saust unter beiden Segeln an der Südostküste mit ihren Buchten und Höhlen vorbei, bis zur östlichsten Spitze Spaniens, der Isla Aire mit ihrem Leuchtturm. Wir schaffen es nicht ganz und müssen noch einmal kreuzen, um zwischen der Insel und Menorca durchzukommen. In der Durchfahrt ist das Wasser türkisfarben, und viele Boote ankern hier, ein hübsches Fleckchen. Isla Aire sieht aus wie ein sinkendes Schiff, so schräg und flach liegt sie vor der Küste.

Nach einer ca. 5 stündigen Fahrt biegen wir ein in die tiefste Bucht des Mittelmeeres. Schon Napoleon bediente sich ihrer als Stützpunkt seiner Mittelmeerflotte. Vorbei an alten und neueren Festungsanlagen, kleinen Nebenbuchten mit Ankermöglichkeiten und kleinen Inseln nähern wir uns der über dem hinteren Teil der Bucht liegenden Hauptstadt Menorcas, Mahon oder Maó, wie die Menorciner selbst sagen. Im Hafen gibt es u. a. zwei Schwimminseln mit Wasser und Strom, an denen man festmachen kann. Sie sind allerdings "completo", und so machen wir an einer Mooring dazwischen fest. Von hier aus hat man einen tollen Blick auf die Altstadt und den Hafen. Die schwimmende Wassertankstelle liegt auch in unserer Nähe, und da wir morgen die Tanks voll machen wollen, dusche ich ausgiebigst. Herrlich, frisch gewaschene Haare!!!

Mit dem Schlauchboot kommt der Hafenmeister längsseits und kassiert 14,85 € ab. Kurz danach noch ein Schlauchboot - Brötchenservice; wir lehnen dankend ab. Gemeinsam hieven wir den Außenborder auf das Dinghi, ich halte das Fall als Sicherung, während M den Motor über die Badeleiter auf´ das Boot packt. Nach einigen Startschwierigkeiten (das Ding läuft tierisch schnell im Standgas), düsen wir rüber in die Stadt, machen an einem Dinghiparkplatz fest und stehen mitten im Getümmel der Hafenpromenade von Mahon. Über Treppen geht´s hinauf in den alten Stadtkern, der sichtlich von den Engländern beeinflusst ist. Diese nette kleine Insel mit ihrer gut zu verteidigenden Bucht haben sich schon viele Mächte einverleibt und ihre Spuren hinterlassen: die Araber, die Türken, die Spanier, Franzosen, die Engländer und dann wieder die Spanier. Vor einem englischen Club (innen: "Members only") trinken wir ein Gläschen und beobachten das Leben in den engen Straßen. Neben uns sitzen aufgetakelte, ältere spanische Damen, und auf dem kleinen Platz rotten sich leicht bekleidete junge Mädchen zusammen, um den Samstag abend zu genießen.

Wir gehen zurück zum Hafen, suchen uns einen Platz zum Essen, und siehe da, in der Zwischenzeit, es ist 22:00, sind fast alle Plätze in den Restaurants besetzt. Es gibt noch ein paar direkt am Wasser, aber dort ist es so teuer, dass wir weitersuchen. Einen Platz in einem lauten riesigen Ding geben wir wieder auf und versuchen es noch einmal in einer kleinen Tapas-Bar, die uns vorher schon aufgefallen ist. Es ist ein Tisch frei und ein nette Kellnerin serviert uns einen superleckeren Weißwein, von dem wir eine Flasche mitnehmen. Wir genießen verschiedene Pintxos (mit allerlei Köstlichkeiten belegte knusprige Baguettescheiben). Der Laden ist ein Ableger der baskischen Bodega "AMATXO" und wirklich zu empfehlen. Zurück an Bord spanne ich mit dem Fernglas und beobachte eine Party in einem der wunderschönen Häuser an der Nordseite der Bucht. Wir liegen höchstens 100 m entfernt. Die Bewohner (oder Mieter?) müssen richtig Kohle haben. Die Häuschen sehen nur aus wie Häuschen, sie sind geduckt über mehrere Etagen ans Ufer gebaut. Die englische Gesellschaft schiesst um 24 Uhr ein Feuerwerk ab und geht dann zum Tanzen ins nächste Stockwerk. Ich gehe auch, und zwar hundemüde in die Koje.

Mahon ist sehr britisch. Die Gebäude, aber auch die Leute. Mahon scheint vom Massentourismus verschont geblieben zu sein, und ein bisschen kommt es einem so vor wie in der guten alten Kolonialzeit. Der Club, vor dem wir etwas trinken dürfen (Sabine darf dort jedoch nicht auf die Toilette), ist innen ausgestattet mit dicken Ledersesseln, in ihnen sitzen vor dem riesigen Kamin rauchende, alte Engländer mit buschigen Augenbrauen und erzählen wahrscheinlich Geschichten der Sorte Arthur Conan Doyle oder Edgar Allan Poe.

7. Landausflug nach Ciutadella

Sonntag 15 August 2004

Den heutigen Tag werden wir zur Abwechslung einmal an Land verbringen. Wir mieten uns einen Roller, den kleinsten, denn die Preise im August sind irre. Für die 50er Peugeot zahlen wir 80 € - für einen Tag! Ein kleines Auto kostet 85 €, wir entscheiden uns aber für den Roller, und es macht echt Spass damit die Insel zu erkunden. Über eine kleine Nebenstraße, Cami d´en Cane, fahren wir quer durch die Felder über Alaior nach Ferreries. Den Versuch auf den 350 m hohen Toro zu fahren, müssen wir abbrechen, unserem Roller geht die Puste aus.

In der Nähe von Ferreries kommen wir an einem Gestüt mit schwarzen mallorquinischen Pferden vorbei. Die Vorführung beginnt erst um 20:30, es ist weder Mensch noch Pferd zu sehen, kein Wunder, es ist superheiss und nur bei Fahrtwind auszuhalten. Zum Glück habe ich mir ein Tuch mitgenommen, das ich mir um die nackten Schultern legen kann. Auch alle anderen Tiere scheinen sich im Schatten aufzuhalten. Alles was ich bisher auf der Insel an Tieren gesehen habe: schwarzbunte Rinder, schwarze Pferde, vereinzelt in den Orten hochbeinige gelbe Katzen, Hunde nur an der Leine, kaum Seevögel, einen riesigen hellen Raubvogel auf den Feldern an der Cami d´en Cane, eine Kakalake oder ähnliches auf dem Felsen der Maccharella, und natürlich Grilli, Gott sei seiner Seele gnädig. Ach ja, und Fische.

Wir fahren weiter nach Ciutadella. Ein schönes, helles Städtchen mit vielen handtuchbreiten Gassen, schattigen Plätzen, Arkadengängen und einem engen Naturhafen. Wir braten während unserer Besichtigungstour in der unbarmherzigen Sonne und huschen von einem Schatten zum nächsten. Um 1550 sind die Türken in die Stadt eingefallen und haben 3500 Gefangene als Sklaven mitgenommen. Daran erinnert ein Obelisk auf einem Platz über dem Hafen.

In einem Restaurant am inneren Teil der Bucht essen wir Aufgebratenes mit Fisch, sehr lecker, sogar die Tintenfischstücke darin. M kann in der Bar noch die letzten Minuten des Formel1 Rennens in Ungarn sehen, Schumacher gewinnt vor Barrichello.

Dann zurück zum Roller und den Fahrtwind geniessen. Wir fahren auf der Hauptstraße bis Es Mercudal und biegen dann ab nach Fornells. Die Bucht ist riesig. Wir fahren bis zum Eingang, durch den wir morgen hinein segeln werden. M ist schwer begeistert von der kargen Landschaft und den Hügeln am Ende der Bucht. Durch diese führt uns eine schöne Straße zurück nach Mahon. Am Club Nautico hängen die Windvorhersagen für die nächsten Tage aus: SW 4-5, nichts neues. Wir kaufen ein, geben den Roller ab, trinken noch ein B&W im Amatxo und fahren mit dem Dingi zurück zu Cowry. Ein schöner heisser Tag liegt hinter uns. Wir bleiben noch eine Nacht an der Mooring, werden morgen früh Wasser tanken, das Schiff abspritzen und nach Fornells segeln. Wir kochen nicht, sondern essen Käsebrote, nüsseln noch ein wenig rum und ab zu Bett.

8. Fornells - Ein Stück Irland im Mittelmeer

Montag 16 und Dienstag 17 August 2004

Erstens kommt es anders… Die Wassertankstelle ist kaputt, und im Club Nautico römisch-katholisch fest zu machen wäre ziemlich aufwändig, also hoffen wir mit dem Wasser auszukommen, setzten die Segel und kommen nach 4 Stunden in der gestern schon von Land aus besichtigten Bucht von Fornells an. Wir lassen den Fischerort mit den in Massen davor ankernden Schiffen rechts liegen und ankern nördlich der gegenüber des Ortes liegenden Insel Santandrina mit ihren beiden Leuchtfeuern.

Hier enden Sabines Aufzeichnungen leider. Ich kann bezeugen, dass sie diese und auch weitere Seereisen mit mir bei bester Gesundheit überstanden hat. Wahrscheinlich hat sie sich im Laufe der Fahrt so entspannt, dass ihr das Schreiben einfach zu anstrengend war. Ich kann´s verstehen, trotzdem: ich werde nun die Geschichte aus meiner Erinnerung zuende schreiben.

Wir segelten also gemütlich nach Fornells. Diese Bucht ist die perfekte Ankerbucht, die Entsprechung zum perfekten Strand von PhiPhi in "The Beach". Sie öffnet sich genau nach Süden als ovale Einbuchtung, etwa 1 km breit und 4km lang. Bei starken nördlichen Winden kann es zugegebenermaßen ziemlich ungemütlich werden. Am Westufer liegt das Dorf Fornells, das sich vollständig auf die Bedürfnisse der meist britischen Yacht- und Segeltouristen eingestellt hat. Im südlichen, flachen Teil der Bucht befinden sich mehrere Segel- und Surfschulen, dessen Kundschaft aus britischen Upper Class Kids zu bestehen scheint. Am winzigen Hafen, der fast ausschließlich einheimische Fischer- und Ausflugsboote beherbergt, kann man Pferdekutschen für eine Inselrundfahrt mieten. Die Restaurants am Hafen überbieten sich mit dem schönsten Blick auf die Bucht und den Preisen für die lokale Spezialität, Languste. Fast alle Yachten ankern am Westufer direkt vor dem Dorf, die Ostseite der Bucht ist jedoch eine karge, völlig menschenleere Wildnis, vor der kaum Boote ankern. Hier hat man hundert Meter Platz bis zum nächsten Ankerlieger, eine absolute Rarität im Mittelmeer. Reicht manchmal auch nicht, wie sich in der Nacht herausstellen wird.

An der Ostseite der Bucht liegt die Insel Santandrina, mit dem alten Wehrturm. Wir ankern nördich der Insel auf etwa 4-5 m, Grund Seegras. Ich gebe die ganze Kette, etwa 60 m und fahre den Anker schön tief rein. Es weht mit guten 5 Bft aus südlichen Windrichtungen, und die Jollen und Surfer jagen nur so um uns herum. Neben uns haben am Ostufer noch 2 riesige Motoryachten und ein Katamaran geankert. Irgendwann geht eine der Motoryachten auf Wanderschaft und driftet langsam an uns vorbei. Lautes Kreischen von der anderen Motoryacht "weckt" die Besatzung, die zunächst aus zwei leicht bekleideten jungen Damen zu bestehen scheint. Sie gucken sich um und verschwinden schnell wieder unter Deck. Einen Augenblick später stürmt ein weisshaariger älterer Herr an Deck, peilt kurz die Lage und startet dann die Maschinen. Es folgt ein aufwändiges Ankermanöver, das sich über eine halbe Stunde hinzieht, bis der Skipper zufrieden scheint. Ob er nun mehr Kette gegeben hat?

Wenig später geht der Katamaran auf Slip. Hier ist niemand an Bord, und wir überlegen schon ob wir mir dem Dingi zu einer Rettungsaktion starten sollen, als sich vom Ufer ein kleines Boot löst und mit Vollgas auf den driftenden Katamarn zuhält. Schnell ist die Besatzung an Bord und die Lage unter Kontrolle. All das bei ablandigen 5-6 Bft in einer gut geschützten Bucht, bei zugegebenermaßen schlechtem Ankergrund. Aber ich habe den Verdacht, dass die Kollegen nach der Devise "Länge Ankerkette = 3x Wassertiefe" (vielleicht sogar =Wassertiefe) vorgegangen sind, was angesichts der riesigen Bucht reiner Schwachsinn ist. Es gibt keinen Grund die Ankerkette zu schonen, denn zum Ankern ist sie da, und wenn man genügend Platz zum Schwojen hat, raus damit! In engen, vollen Ankerbuchten, in denen man sich gegenseitig auf die Füße tritt, ist das was anders, aber bei genügend Platz…

Unser Anker jedenfalls hält, im Gegensatz zu dem einer französischen ca 10m langen Segelyacht, die vollbesetzt mit Familie in der Nacht auf uns zudriftet. Ich werde wach von Stimmen, die von sehr nahe kommen, nicht weiter als ein paar Meter wie mir scheint, aber wir ankern doch alleine auf weiter Flur…. Wie von der Tarantel gestochen schnelle ich durchs Vorderluk nach draussen und sehe wie sich der Bug einer Segelyacht mittschiffs auf Cowry zubewegt. Über dem Bug weit nach vorne gelehnt streckt eine Frau ihre Hände nach vorne, sie versucht offensichtlich irgendwas zu erwischen, um den Aufprall etwas abdämpfen zu können. Ich hechte zu ihr hin und gemeinsam können wir einen Aufprall gerade noch so vermeiden. Der wild kreischende Skipper scheint vollends die Nerven verloren zu haben, und das Boot treibt längsseits achteraus. Ich bleibe noch ein paar Minuten sitzen und beobachte im Mondschein, wie die Crew versucht, Segel zu setzten. Am nächsten Morgen, als wir zur Morgentoilette um Cowry herum schwimmen, kommt ein Dinghi angefahren und der Skipper entschuldigt sich wortreich in französischem Englisch für das Malheur letzter Nacht. Ihr Anker hatte geslippt und der Motor ließ sich nicht starten! Wahrscheinlich liegen im Ankerkasten 30 m fabrikneuer, ungenutzter Kette.

So, genug klug geschissen.

In der Bucht ist das Wasser eine grüne Algensuppe, also fahren wir mit dem Beiboot in eine kleine Felsenbucht ausserhalb zum Schnorcheln und Unterwasserfotos machen. Abends fahren wir an Land und spazieren durch den Ort. Die Promenade vom Hafen zum Wachturm am Eingang zur Bucht ist die wahrscheinlich schönste Meile des Mittelmeers, jedenfalls des Teils den ich kenne. Der Blick geht über die großzügige Bucht weit ins Hinterland von Menorca bis zum Toro, der höchsten Erhebung der Insel. Die Landschaft macht einen fast nordischen Eindruck, und wenn es nicht so heiss wäre, könnte man meinen man sei in Irland. Der Mistral ist hier viel stärker zu spüren als im Süden der Insel und auf den anderen Balearen. Dieser starke kalte Wind, der im Winter das Rhônetal hinab fegt in den Golfe du Lion braucht den Vergleich mit nordeuropäischen Sturmtiefs nicht zu scheuen. Ein Kollege, der im Winter dort unterwegs war meinte, Nordsee sei nix dagegen.

Aber wir haben Hochsommer und die Restaurants am Hafen füllen sich langsam. Wir wollen diesmal rechtzeitig einen guten Platz ergattern, schrecken aber vor den Preisen zurück, besonders für die Langustinos, die wir zu gerne genommen hätten (45 € pro Person). So landen wir schliesslich an einem Tisch zwischen Parkplatz und Hafen. Der Kellner wirkt teilnahmslos, und naja, wir haben schon mal schlechter gegessen. Zurück an Bord trösten wir uns mit unserer neuesten "geistigen" Errungenschaft: der Menorca-Gin ist sehr lecker, er wird uns für den Rest der Reise Gesellschaft leisten.

Am nächsten Morgen beobachten wir das nächste Anker-Drama. Diesmal will der Anker einer Motoryacht nicht loslassen. Nach mehrmaligen Hiev-Versuchen bringt der Anker einen verrosteten Käfig nach oben. Nach einer halben Stunde entfernt die Crew vom Dinghi aus ihre Ankerkette von dem rostigen Ungetüm, das nun wieder auf Tiefe geht. Alte Langustenkäfige sind hier überall in der Bucht verstreut, und mit Pech erwischt man einen. Öfter mal was neues.

9. Cala Algayerens - Ein unbekanntes Paradies

Mittwoch 18 August 2004

Nach problemlosem Ankermanöver segeln wir aus der Cala Fornells heraus und die Küste westwärts an vielen steilen schroffen Buchten vorbei, wo ankern unmöglich ist. Unser Tagesziel ist die Cala Morell, die im Törnführer als gute geschützte Ankerbucht angepriesen wird. Leider stellt sie sich als klein und überfüllt heraus, so dass wir gar nicht erst hinein segeln sondern schon nach einem Blick ins Innere wenden. Das geht gar nicht. Also ankern wir erstmal zum Nachdenken vor der Bucht an einer imposanten Steilküste. Der Grund besteht aus Sand und Fels auf etwa 10m. Ein sehr schöner Platz, allerdings völlig ungeschützt vor Nord und Nordost. Wir haben zwar momentan schwachen Wind aus südlichen Richtungen, aber über Nacht ist mir das zu unsicher. Zudem ist der Ankergrund von vielen Felsen übersäht und mit 10m ziemlich tief. Wir schnorcheln und gucken uns die Gegend unter Wasser an. Ich tauche in eine Höhle hinein, die sich unterhalb der Steilküste öffnet, Sabine traut sich nicht rein und "steht Schmiere". Wir sehen, dass der Anker nicht gut auf dem Grund liegt, und nach einer Stunde lichten wir ihn und segeln weiter die Küste mach Westen zur nächsten Ankermöglichkeit, der Cala Algayerens.

Und die stellt sich als eins der Highlights unserer Reise heraus. Sie besteht aus einer großen Hauptbucht und einer kleinen Nebenbucht, ähnlich wie die Macharella/Macharellata, nur größer. Die Nebenbucht ist am Ufer mit Fischerbaracken bebaut, aus deren Schornsteinen es raucht. Vor der Einfahrt liegt ein großer Felsen, an dem sich die Auffaltung des Meeresbodens studieren lässt. Die große Bucht besteht aus einem riesigen Sandstrand, der in der Mitte durch einen kleinen Berg geteilt ist. Wir ankern südlich des aufgefalteten Felsens vor der kleinen Nebenbucht. Ich springe ins Wasser und schnorchle einmal um den Felsen herum, wobei ich mit der Unterwasserkamera Fotos mache. So sehen also brechende Wellen von unten aus.

Die Bucht liegt in einem Naturschutzgebiet, wodurch es tagsüber relativ wenige Badegäste gibt (5 € Eintritt), die abends alle das Gebiet wieder verlassen müssen. Dann haben wir Yachties diesen phantastischen Strand mit dem dahinterliegenden Feuchtgebiet für uns. Wir fahren mit dem Dingi an Land und erkunden den Strand. 

Obwohl ich nur Badelatschen anhabe, besteige ich den Berg, der den Strand teilt, und werde mit einem phantastischen Ausblick über die Bucht und die ankernden Yachten belohnt. Beim Abstieg rutsche ich natürlich aus und hole mir Schürfwunden, aber nichts ernstes. Wir fahren zurück zu Cowry und geniessen ein herrlichen Abendessen in dieser phantastischen Bucht.

10. Zurück nach Mallorca - Bücher gegen Mastbruch

Donnerstag 19 August 2004

Der Tag der Rückfahrt nach Mallorca. Der Wetterbericht bleibt bei SW 4-5, was für uns gegenan bedeutet. Ich habe noch keinen einzigen Segeltörn gemacht wo ich nicht am letzten Tag auf dem Rückweg gegenan gemusst hätte. Diese Tradition setzt sich nun also auch im Mittelmeer fort.

Bis zur NW-Spitze Menorcas rauschen wir bei halbem Wind nur unter Genua nach Westen, aber als wir das Punta Nati passieren, bläst uns ein steifer Wind mit steiler Welle entgegen. Wir luven an und gehen so hart es geht an den Wind. Wir rauschen mit 7 Knoten nur unter Genua Richtung Formentor/Mallorca. Cowry in ihrem Element, es rauscht nur so um uns herum. Mit der kleinen Lucy wäre dieser Kurs bei diesen Wellen nicht durchzuhalten, die zusätzlichen 4 Meter Länge von Cowry machen sich bemerkbar. Selbst bei Schräglage hart am Wind ist es im Cockpit bequem und man kann sich noch sicher bewegen.

Wir rauschen also mit 7 Knoten Richtung NO-Spitze von Mallorca, als der Windmesser im Masttopp fliegen geht. Zuletzt hatte er gute 7 Bft angezeigt, das sind abzüglich der Fahrtgeschwindigkeit reale 5-6 Bft; das sollte ein Windmesser schon aushalten können. Dann, etwa auf halber Strecke nach Mallorca, dringen plötzlich knirschende Geräusche aus der Kabine nach oben. Als ich nach unten gehe, bleibt mir fast das Herz stehen: der durchs Deck gesteckte Mast ist locker und mahlt in seinem Fundament auf dem Kiel hin und her. Die beiden Gummimanschetten, die den Mast in seiner Führung hielten, waren herausgequetscht worden, und nun pendelt der Mast in seiner Führung bei jeder Welle bedrohlich hin und her. Mir kommen sofort Horrorszenarien in den Sinn, von Mastbruch über Deckaufreißen bis zum Kieldurchbruch durch den Rumpf.

Eine schnelle Analyse zeigt, dass die beiden Gummihälften der Manschette hier nicht sofort wieder in Position zu bringen sind, so dass ich den Mast irgendwie provisorisch fixieren muss. Etwa 10cm weit pendelt der Mast in Längsrichtung, nahe an der Schottwand zur Toilette. Nach fruchtlosen Versuchen mit Kissen stopfe ich Bücher und Zeitschriften zwischen Schottwand und Mast, wobei ich die Pendelbewegung nach hinten abwarte und dann das nächste Stück dazwischen stopfe. Nach ein paar Versuchen klappt es einigermassen und das Pendeln ist nicht mehr so gefährlich. Jetzt kann ich raus, Segel runter, Motor an und auf direktem Weg nach Mallorca unter Landschutz. Während einer weiteren bangen Stunde unter Motor gegenan kracht Cowry in die Wellentäler, wobei der Mast heftig vibriert. Etwas später werfen wir den Anker in der Cala Molto nördlich von Cala Rajada.

Glücklicherweise hatte es keine Schäden gegeben. Die Gummimanschette war unter Einsatz des dicksten Hammers, der an Bord zu finden war, schnell wieder in Position. Was die Ursache angeht, war mir schon auf der Fahrt aufgefallen, dass das Babystag, das den Mast etwa in halber Höhe Vordeck hin abstagt, sich total gelockert hatte. Es war nicht nur locker, es schlackerte sogar 10cm hin und her. Ich erinnerte mich, dass sich die Genuaschot bei einer Wende um den als breiten Handgriff ausgeführten Spanner gewickelt hatte. Die Schot muss also so das Stag gelockert haben, und es hatte sich bei jedem Stampfen ein Stück weiter gelöst. Ich war allerdings etwas überrascht, dass ein lockeres Babystag solche Auswirkungen haben konnte; normalerweise würde ich davon ausgehen, dass der Mast durch Vor- und Achterstag sowie die seitlichen Wanten ausreichend stabilisiert ist. Aber gerade im unteren Teil bewegte sich der Mast nun wohl stärker und drückte peu a peu die Gummimanschette aus ihrer Führung.

Wir hatten das kleine Havarieabenteuer also bravurös bestanden, dank Heidis Kochbüchern und dem britischen Balearenführer. Wir verbringen den letzten Abend an Bord badend und schnorchelnd.

11. Nach Portocolom - Parkplatzprobleme

Freitag 20 August 2004

Nach dem morgendlichen Bad und Frühstück bekommt Sabine einen Ekelanfall. Während meiner morgendlichen Toilettenprozedur beobachtet sie wie eine braune Wolke an Steuerbord das Interesse der kleinen Fische erregt. Meine klein zerhackten Stoffwechselendprodukte breiten sich langsam im klaren Wasser aus. Als sich der Schwarm auf die vermeintlichen Leckereien stürzt, schüttelt sich Sabine und schreit "Iiiiiih, wie schrecklich!". Aber so ist nun mal der Gang alles Irdischen - wir sind Zeugen des ewigen Kreislaufs. Sind wir dankbar für die eifrigen Meeresorganismen, die von unserem Dreck leben und das Wasser so einigermaßen reinigen. Und meiden wir weiterhin stark frequentierte Ankerplätze.

Unser letzter Segeltag! Unter leicht bewölktem Himmel (mit Phantasie konnte man im Landesinnern Gewitterwolken erahnen) segeln wir unter Autopilot die Küste entlang, ein traumhafter Abschluss. Plötzlich läuft das Boot aus dem Ruder und der Autopilot macht komische Geräusche - auweia, noch´n Schaden! Ich schalte das Ding sofort aus und wir steuern die letzten 4 Stunden unseres Törns von Hand. Einmal mehr zeigt sich das Mittelmeer von seiner schönsten Seite. Eine angenehme Brise, und durch die leichte Bewölkung brennt die Sonne nicht so erbarmungslos.

Der letzte Akt der Reise ist die Suche nach einem Liegeplatz am öffentlichen Steg in Portocolom. Der ist natürlich total belegt und wir ankern zunächst vor dem Bojenfeld nahe dem Fahrwasser. Keine Dauerlösung, denn vor unserem Rückflug muss das Boot sicher geparkt werden. Wir liegen auf unserem Ankerplatz auf der Lauer und verfolgen jede Bewegung auf dem kleinen Steg. Bis vor einigen Jahren waren es noch zwei öffentliche Stege, aber in einem Orkan hatte sich einer von ihnen losgerissen und war samt Yachten auf Wanderschaft durch die Bucht von Portocolom gegangen.

Ich fahre mit dem Dingi zum Hafenmeister und frage nach einem Liegeplatz. Netter, junger Kerl, spricht gut englisch, kann uns aber keinen Platz anbieten - alles besetzt. Dann legt tatsächlich ein kleines Boot vom Steg ab und ich springe Hals über Kopf ins Dingi und rudere wie besessen zurück zu Cowry. Von weitem schon schreie ich Sabine zu, sie soll den Motor anlassen. Anker auf, alles geht schnell und routiniert. Als wir in die Lücke am Steg wollen erklärt uns der zerknirschte Hafenmeister, das eben abgelegte Boot ist nur auf Probefahrt und kommt gleich wieder, hat den Platz schon bezahlt. Also gehen wir wieder vor Anker und gehen Ausguck. Neben einem Behördenschiff der balearischen Umweltbehörde scheint eine kleine Lücke zu sein - vielleicht zwei Meter breit. Cowry ist 4 Meter breit - ob wir uns dazwischen quetschen können? Ich habe Zweifel, ausserdem ist keine Muring frei, alle Leinen sind belegt. Irgendwann entspannen wir uns und geniessen den Abend.

12. Adios Cowry!

Samstag 21 August 2004

Wir haben eine ruhige Nacht vor Anker. Wir frühstücken früh, doch am Steg tut sich nichts. An der Ostsee kann man im Laufe des Vormittags beobachten wie sich die Häfen langsam leeren - hier leider nicht. Es muss aber jetzt was passieren, denn Heidi holt uns am Nachmittag ab, dann muss Cowry irgendwo fest und sicher angebunden sein. Der Club Nautico ist angesichts der horrenden Preise keine Alternative. Wir beschliessen also uns in die Lücke neben dem Behördenschiff zu quetschen, wir wollen es zumindest versuchen. Wir müssen mit Cowry´s Bug die beiden Schiffe mit Hilfe von Fendern langsam auseinanderdrücken. Fender beiderseits am Bug runterhängen lassen und mit sanftem Druck dazwischen. Es funktioniert! Sabine springt auf den Steg und macht Cowry fest. Wir sitzen wie in der Sardinenbüchse, aber sicher abgefendert zwischen den anderen Booten. Um uns hinten festzumachen, muss ich ins Wasser und binde Cowry´s Heck an den Murings der Nachbarboote fest. Dann endlich können wir das Dingi aus dem Wasser holen, saubermachen und an Deck festzurren. Cowry wird mit Süßwasser abgespritzt.

Ich hatte mich insgeheim auf Schimpfkanonaden eines grimmigen balearischen Umweltoffiziers eingestellt, statt dessen stöckeln zwei blutjunge, hübsche Mädels den Steg herunter, auf ihren Blusen prangt dasselbe Logo wie auf dem Behördenboot. Aha, das ist ja mal was neues! Freundlich werde ich gegrüßt, und ohne großes Aufhebens und mit selbstverständlicher Professionalität legen die beiden Grazien ab und eine halbe Stunde später ebenso wieder an. Mit charmantem Lächeln verabschieden sie sich, ohne sich daran zu stören, dass Cowry mit an ihrer Muring hängt. Auch der Hafenmeister hat nichts dagegen.

Als Heidi uns am späten Nachmittag abholt, haben wir 2 Wochen Traumurlaub hinter uns. Von 7,20m auf 12m, von der Ostsee ins Mittelmeer, alles hat hervorragend geklappt. Ich war überrascht wie gut Cowry zu manövrieren war. Wind hatten wir eigentlich immer, aber nie zuviel. 

 

Danke, es war einfach ganz toll!