Rund Westliche Ostsee Einhand mit Lucy 2001

Mal länger als 3-4 Wochen unterwegs sein - dieses Jahr war das möglich. Ich ergriff die Gelegenheit beim Schopf und machte mit meinem neuen Boot LUCY den "großen" Törn rund um die westliche Ostsee. Die deutsche Ostseeküste bis Rügen und Usedom, dann hoch nach Schweden, über Kopenhagen und den Sund die westschwedische Küste hoch in die Schären; dann über den Skagerrak nach Skagen und zurück Richtung Süden die jütländische Ostküste entlang. Obwohl mir diese Reise schon als "Langfahrt" vorkommt, schrumpft das Fahrtgebiet bei Betrachtung auf einem Globus doch ziemlich zusammen. Egal - für die zweite Hälfte dieses Sommers sollte es reichen. Gemütliches Tingeln von Hafen zu Ankerplatz und umgekehrt. Meistens jedenfalls.

Die Route

Fahrtroute in Rot (im Gegenuhrzeigersinn abgefahren), Windrichtung als blaue Pfeile (mit ca.Beaufort)
Fahrtroute in Rot (im Gegenuhrzeigersinn abgefahren), Windrichtung als blaue Pfeile (mit ca.Beaufort)

Das Boot

LUCY

Granada 24, Baujahr 1974

7.20 m Länge gesamt

6 m Wasserlinie

2.52 m Breite

1.25 m Tiefgang

1.6 t Gewicht

10.1 m² Großsegel 

18.1 m² Genua

8 PS Yamaha Außenborder

Lucy wurde später für den Gebrauchtboot-Test der Yacht getestet. "Kleines Raumwunder"... 

https://www.delius-klasing.de/granada-24-3773

Ich habe Lucy bis 2015 gesegelt, insgesamt 16 Saisons... Ein tolles Boot, und ich bin froh, sie an einen echten Liebhaber verkauft zu haben.


Die Reise

Bye Bye Büsum!
Bye Bye Büsum!

19. Juli Büsum - Friedrichstadt

Um halb 6 morgens bei Ebbe in Büsum abgelegt, Sabine begleitet mich auf der ersten Etappe. Perfekter Segelwind, Südsüdost um 4. Ein super Segeltag. Sonne und Wind aus der richtigen Richtung. Wir waren recht früh am Sperrwerk, so dass wir uns entschieden, weiter nach Friedrichstadt zu fahren. Dort angekommen, überraschte uns genau beim Festmachen ein Gewitterschauer, wir haben es gerade noch so geschafft, halbwegs trocken in die Kabine zu flüchten. Dann sind wir essen gegangen, und Sabine wurde abgeholt. Ich früh ins Bett, groggy und ziemlich angekratzt.

Lexfähre hat im toten Eiderarm einen traumhaften Ankerplatz
Lexfähre hat im toten Eiderarm einen traumhaften Ankerplatz

20. Juli Friedrichstadt - Lexfähre (Anker) 

Ziemlich ereignisarme Fahrt die Eider hoch, in einem Rutsch. Vom Hafenmeister geweckt, um 10 vor 9; wenn ich noch vor dem Nachmittag rauswolle, müsse ich das bis 9 machen, danach würde die Schleuse erstmal nicht mehr bedient; er murmelte was von Schleuse Nordfeld und Tide. Diese Schleuse wurde angeblich nur eingeschränkt bedient, zu bestimmten Zeiten, wegen Renovierung der Schleusentore. Ich also ohne Frühstück und Toilette hektisch losgemacht, und war um kurz vor 9 aus der Friedrichstädter Schleuse raus, und würde plangemäß vor 10 an der Nordfelder Schleuse sein (Schleusungen angeblich 10-11). Ich war rechtzeitig vor 10 da, wo mir der Schleusenwärter dann eröffnete, dass die Reparaturarbeiten um mindestens 2 Wochen verschoben worden waren. Wozu also die Hektik. Abends geankert im toten Eiderarm bei Lexfähre, immer noch leicht durch den Wind.

Im toten Eiderarm vor Anker
Im toten Eiderarm vor Anker

21. Juli Lexfähre - Kiel-Holtenau 

Wieder eine ereignisarme und langweilige Fahrt durch den Nord-Ostsee-Kanal. Abends in Holtenau festgemacht, freier Platz direkt am langen Steg. Sanitäranlagen total versifft, ich frage mich, was die zahlreichen hölländischen und skandinavischen Segler denken sollen. Verabredung für nächsten Tag mit Conny und Reinhard zum Segeln. Abends mit den beiden in der Villa Hohneck zum Essen, sehr schön über dem Kanal, aber auch winding und sehr kalt.

22. Juli Kiel-Holtenau - Strande 

Sehr schöner Segeltag mit Conny und Reinhard, mit SW 4-5 aus der Förde raus, um den Leuchtturm Kieler Bucht rum und zurück nach Strande. Kaum dort festgemacht sind die beiden auch sofort nach hause gefahren, Reinhard mit Kopfweh. Es waren zwar keine wirklich ruppigen Bedingungen, aber für jemanden, der es nicht gewöhnt ist, vielleicht doch etwas viel, zumal es zurück nach Strande gegenan ging. Abends dann am Strand von Strande ein Bier getrunken, auf die Ostsee und schöne Körper gestarrt, und zu erstenmal stellte sich sowas wie ein Urlaubsfeeling ein. Die erste Hitzeperiode kündigt sich an.

Im Großenbroder Binnensee vor Anker
Im Großenbroder Binnensee vor Anker

23. Juli Strande - Großenbroder Binnensee (Anker)

Diese Strecke sehr schön bei 3-4 Windstärken aus ONO gerade so gegenan segeln können. Die Fehmarnsund-Brücke erschien am Horizont und wurde langsam immer größer. Dann kam es unter der Brücke zu einer kritischen Situation: In dem Glauben, auf demselben Bug zwischen den Stützpfeilern durchsegeln zu können, habe ich trotz nachlassendem Wind den Motor nicht angeworfen. Dann, genau zwischen den Brückenträgern, blies mir der Wind genau ins Gesicht, aus Südost! Da das Fahrwasser östlich der Brücke doch sehr eng wurde (ca. 20 m), war auch nicht an kreuzen zu denken. Ich also hektisch den Motor angeworfen, springt zwar an, aber das Kühlwasser tröpfelt nur traurig aus der Austrittsöffnung statt des gewohnten satten Strahls ("Prostatabeschwerden", wie sich Frank ausdrückte). Kein angenehmer Gedanke, eine Überhitzung des Motors in diesem engen Fahrwasser. Er hat dann eisern bis in den Großenbroder Binnensee durchgehalten, wo dann die Hitzeperiode wirklich begann. Schön dort geankert, beim Rotwein Caravan "wiederentdeckt". Die Kühlleitung habe ich mit einer Spritze und Schlauch mit Süsswasser rückgespült, danach lief es wieder einigermassen.

Ansteuerung Warnemünde
Ansteuerung Warnemünde

24. Juli Großenbroder Binnensee - Warnemünde 

Eine fast windlose Überfahrt, fast die gesamte Strecke unter Motor gelaufen. Nicht besonders angenehm, aber mit 2-3 Windstärken aus Ost keine Alternative. Je näher ich Warnemünde kam, desto bedrohlicher sah der Himmel im Südwesten aus, als ob da ein heftiges Gewitter aufkommen wollte. Ebenfalls Gewitterwarnungen im Radio. Dann aber ohne Schwierigkeiten eingelaufen und an einem Beton-Ponton aussen am Yachthafen festgemacht. Dort ausser mir keine anderen Boote, hatte den Anleger für mich allein, da keine direkte Landverbindung bestand. Mit meinem Dingi nur eine 10 m-Überfahrt. 

Telefonisch verabredete ich mich mit Katrin für morgen. Ich bin dann durch Warnemünde gelaufen und habe die Eindrücke in mich aufgesogen. Es gefiel mir auf Anhieb wieder phantastisch. Die Stadt, die Leute, alles kam mir sehr freundlich und voller Lebensfreude vor. Auf einen Schlag mehr junge Leute gesehen wie in Büsum im ganzen Jahr. Schöne Menschen, schöne Häuser. Sozusagen der Gegenpol zu Büsum, auch in der Altersstruktur. Falk zuhause angerufen, und er ist spontan mit der kompletten Familie zum Hafen gekommen, wo wir eine Flasche Wein leerten.

In Warnemünde habe ich 4 Jahre meines Lebens verbracht und ich habe schöne Erinnerungen daran. Natürlich verklärt man vieles im Nachhinein, aber als ich jetzt wieder dort war, kam es mir vor als sei ich nach hause gekommen. Und es ergab sich, dass ich viele Freunde von damals wiedersehen sollte, mit denen ich damals am Institut für Ostseeforschung zusammen arbeitete.

25. Juli Warnemünde

Stippvisite im IOW bei Katrin, Mittagessen. Dann mit der S-Bahn zu Frank nach Lichtenhagen gefahren, er ist krank. Katrin und Lucie abends auf LUCY zu Gast, Picknck. Ich geniesse Warnemünde und höre, dass größere Ereignisse sich anbahnen: Für Freitag sind Christoph und Heike angekündigt samt Kindern, und Carolin kommt extra aus Tübingen. Später erfahre ich, dass auch Bettina noch dazu kommt. Klar, dass ich meinen Warnemünde-Aufenthalt verlängere. Ich verabrede mich mit Christiane zum Frühstück auf LUCY für den nächsten Morgen. Ich bin in den inneren Yachthafen umgezogen. Hervorragender, erschwinglicher Platz (DM 12/Nacht). 

 

26. Juli Warnemünde 

Morgens Frühstück mit Christiane und Töchterchen Liv an Bord. Dann gehe ich shoppen: 3 luftige Hemden, ideal für das heisse Wetter. Ich geniesse Warnemünde. Abends auf einem "Warnemünder Abend" im IOW mit Meier-Reill, Vortrag über die ökologische Situation in den Bodden. Bodo kurz gesehen, kurz angebunden. Naja, hat wohl viel zu tun. Dachte wahrscheinlich, ich will um einen Job betteln. Sehe mir am Strand den Sonnenuntergang an, eine Stimmung wie in Key West. Junge, freundliche Menschen, die den Sonnenuntergang bewundern. Gehe abends essen am Alten Strom und bin total selig. Warnemünde kommt mir vor wie das Paradies auf Erden. 

 

27. Juli Warnemünde 

Heute hat sich Bettina angesagt, sie schläft bei mir an Bord, weil Mola bei Katrin ist. Hole sie abends vom Bahnhof ab. Vorher kommen Christoph und Heike mit Kindern an Bord, großes Wiedersehen. Danach mit allen am Strand, mal wieder ein perfekter Tag. Abends dann mit Bettina feist essen gegangen, danach Cocktails. Im Cockpit noch ein Campari vor dem Schlafengehen. Und das alles bei Temperaturen von über 25° rund um die Uhr!

28. Juli Warnemünde 

Segeln vor Warnemünde mit Bettina, 15 sm von der Mündung um die vor Reede liegenden Tanker und wieder zurück mit Abstecher vor die Steilküste Stolteraa. Dabei durch dichte Blaualgenmatten gefahren. Mal wieder ein perfekter Segeltag. Abends dann großes Grillen bei Katrin im Innenhof, mit Bettina, Christoph und Heike samt beider Kinder, Christiane und Matthias samt Liv, Carolin, und natürlich Katrin und Lucie. Wer fehlte? Susanne. Und natürlich Uli, den hatten Bettina und ich am Abend vorher angerufen vom Strand und Sonnenuntergang aus. Einfach unglaublich.

Durch Blaualgenmatten
Durch Blaualgenmatten

29. Juli Warnemünde - Darßer Ort

Abschied von Warnemünde. Zunächst bei Flaute unter Motor durch dichte Algenmatten gefahren, dann hat es doch ziemlich aufgebriest, und schliesslich bin ich dann bei achterlichen gut 5 Bft. Richtung Darss geflogen. Dabei hat sich von hinten eine ziemlich hohe See aufgebaut, die LUCY und vor allem das Dingi ins Surfen gebracht hat. Dabei ist es immer wieder mal quer und voll Wasser geschlagen, was es dann doppelt so schwer gemacht hat. Um das Riff nördlich von Darsser Ort einen Bogen gemacht, dann gegenan Richtung Hafeneinfahrt. Unglaublich wie verschieden das Segelfeeling bei achterlichem Wind und hart am Wind ist. In den Hafen rein unter Motor, im Hafenbecken dann erstmals unter Heckanker mit Bug zur Pier angelegt, hat wunderbar geklappt mit Wind von vorne.

Darßer Ort
Darßer Ort

Man darf Darsser Ort nur im Notfall anlaufen und nur eine Nacht bleiben. Was ein Notfall ist, ist natürlich subjektiv, und (fast) alle Segler nutzen diesen wunderschön gelegenen Hafen als Etappenhafen zwischen Warnemünde und den Boddengewässern. Seit Jahren ist schon eine Außenmarina in Prerow geplant, wenige Seemeilen östlich, aber irgentwie kommt man nicht zu Potte. Obwohl mit der jetzigen Lösung meiner Meinung nach alle gut leben könnten, soll der Status des Darsser Nothafens nicht festgeschrieben werden. Ein Problem ist, dass die Zufahrt regelmässig ausgebaggert werden muss, weil sie sonst versandet, was die Naturschützer verständlicherweise gerne sehen würden. Was dann die ebenfalls dort stationierten SAR-Schiffe machen sollen, ist ja nun auch die Frage. Bis es in Prerow nicht die angekündigte Marina gibt (woran scheitert das eigentlich, bei dem Bedarf?), bleibt wohl erstmal alles beim Alten. Warum auch nicht? Für eine Übernachtung ist wohl durchaus zu verschmerzen, dass es keinerlei Service gibt (ausser einem Plumpsklo). Und deshalb würden die allermeisten Crews sowieso nicht länger als 1-2 Nächte dort bleiben wollen. Aber es wird wohl noch dauern, bis eine permanente Lösung gefunden ist. Pragmatismus ist wohl nicht gerade eine deutsche Stärke. Positionen prallen unverrückbar aufeinander.

Abends spaziere ich zum Weststrand durch das verwilderte Naturschutzgebiet.

Bei West 6 nach Osten
Bei West 6 nach Osten

30. Juli Darßer Ort - Barhöft 

Das war eine sehr ruppige, aber auch sehr schnelle Fahrt. Bei teilweise guten 6 von hinten hat LUCY unter Fock und gerefftem Groß im Surf bis zu 8.6 kn gelaufen! Konstanter Speed zwischen 6 und 7 Knoten. Dingi mehrfach quergeschagen, voll- aber sofort wieder halb leer gelaufen. Habe es vor Anker vor Barhöft leergeschöpft und ausgelitert: 19 Liter, also so viel wie das Dingi selbst wiegt. Um so überraschender der Speed. Die Ansteuerung des Gellenstroms war nicht so leicht auszumachen, kleine rote Tönnchen direkt unter Land. Voll Speed drauf zugelaufen, dann mit halbem Wind ins Fahrwasser eingebogen.

Vor Barhöft vor Anker - ein super Platz
Vor Barhöft vor Anker - ein super Platz

Zunächst vor Barhöft auf Reede geankert und die Wasserlinie sauber gemacht; ein sehr schöner Platz, aber der Wind nahm immer mehr zu, und als er gute 7 erreicht hatte (bei schönstem Wetter!) hab ich mich dann doch in den Hafen von Barhöft verholt. Der Anker hätte wohl gehalten, was ich merkte, als ich ihn lichten wollte: das war Schwerstarbeit! Hätte es kaum geschafft, ich habe bestimmt 15 Minuten an Leine und Kette gezogen, bis ich über dem Anker war und er freikam. Später ist mir eingefallen, dass es für solche Fälle ja Winschen gibt, einfach die Ankerleine nach hinten ins Cockpit umleiten um mit der großen Schotwinsch dichtholen. Nächstes Mal, man lernt ja nie aus. Habe dann in Barhöft den so gut wie letzten Platz ergattert. Ein sehr schöner, freundlicher Hafen.

31. Juli Barhöft - Vitte 

Bei bedecktem Himmel, aber gutem Segelwind das enge Fahrwasser nach Vitte genommen. Südlich an Hiddensee vorbei an trockenfallenden Sänden, fast wie im Wattenmeer. Tausende Seevögel, bleierner Himmel, der Horizont ein fahler Strich. Eine eigenartige Stimmung, wie in Watte gepackt.

Die Boddenlandschaft bei diesem Wetter - grauer Himmel über grauem Meer.

Der Hafen von Vitte ist proppevoll, zum ersten Mal keinen freien Platz gefunden; musste an einem anderen Boot längsseits gehen, was aber OK war. Dies ist der beliebteste Hafen von Hiddensee, und offensichtlich einer der überlaufensten der Region. Unter strömendem Regen angelegt, Regenzelt aufgespannt, es bewährt sich hervorragend: schnell aufgeriggt, dicht und windsicher. Ein Nylon-"tarp" aus dem Globetrotterladen, mit eingenähtem Schlitz mit Klettverschluss für die Dirk.

Blick vom Dornbusch nach Süden über Hiddensee
Blick vom Dornbusch nach Süden über Hiddensee

1. August Vitte 

Fahrrad gemietet, auf den Dornbusch gefahren in wahren Besucher- und Touristenlavinen. Egal, war sehr schön. Auch auf dem Leuchtturm gewesen, nach Norden bis rüber nach Møn gesehen, im Süden konnte man klar und deutlich die 3 Kirchtürme von Stralsund erkennen. Der Ort Kloster hat einerseits seinen alten Ortscharakter bewahrt, mit den originalen Reetdachhäusern und den unbefestigten Wegen, auf der anderen Seite quillt es im Sommer über vor Touristen und den entsprechenden Angeboten von Biergärten, Würstchenbuden und Andenkenshops. Auf der Rückfahrt habe ich mich dann am Weststrand in die Fluten gestürzt, was bei den guten 6 aus West ein tolles Brandungsbaden war.

2. August Vitte - Ralswiek 

Ereignislose Fahrt, teils unter Motor, teils unter Segeln bei schwachem Wind. Habe mir mit einem 10 m - Stahl-Selbstbau mit einer Alleinseglerin aus Kiel ein Elefantenrennen geliefert bei 1-2 Windstärken.

Abends dann zum dritten Mal bei den Störtebecker-Festspielen. Jedes Jahr wird eine neue (halb-fiktive) Episode aus dem Leben des mittelalterlichen Seeräubers aufgeführt. Ein wirklich phantastisches Spektakel vor dieser grandiosen Naturbühne mit weitem Blick über den Greifswalder Bodden. Die Bühne ist der eigentliche Star. Das Wetter bestimmt die Stimmung - an einem Abend ein vor Farben schreiender Sonnenuntergang und stahlblauer Nachthimmel, an einem anderen Abend ein düster-unheimliches Verschwinden des Tageslichts, wobei die Konturen des gegenüberliegenden Ufers allmählich mit dem Wasser verschwimmen.

3. August Ralswiek - Stralsund 

Wieder mal ein Wettrennen mir dem Wetter, wie so oft auf dieser Reise. Hatte bis vor Hiddensee guten Segelwind, dann auf Kurs Süd gegenan, bei aber ziemlich abgeflautem Wind. Der briste dann aber bald wieder auf, so dass ich auf den letzten paar Meilen vor Stralsund nur noch mir 3-4 Kn voran kam, immer mit der Drohung einer Gewitterfront aus Südwest, die sich schwarz am Horizont aufbaute. Dann glücklich im Stralsunder Stadthafen (Nordmole) festgemacht. In Stralsund bin ich dann einkaufen gegangen, mit erstem Einsatz des "Kickboards", also meines Tretrollers. Das ging so einigermassen, auch wenn ich mir teilweise die Hacken angeschlagen habe. Stralsund ist eine wirklich schöne Stadt. Durch die Fußgängerzone gebummelt, dann am Hafen beim Italiener essen gegangen. Sehr schwül, aber kein Gewitter, obwohl im Radio vor schweren Sturmböen mit Hagel etc. gewarnt wurde. Um halb 10 ging dann die Ziegelgrabenbücke auf, und 80 bis 100 Boote zwängten sich durchs Nadelöhr. Mittendrin ein großer Frachter, der inmitten der ganzen Boote aussah wie ein von Fliegen umkreister Kadaver. Sein Wegerecht machte er mit einem überlangen, bestimmt 1 Minute dauernden Tuten deutlich, und einige vorwitzige Boote, die sich noch schnell vorher vorbeizwängen wollten (darunter ich) drehten im letzten Moment ab. Auf der anderen Seite lauerte die andere Hälfte der Meute, die nach Norden wollte. Der Hafen südlich der Ziegelgrabenbrücke liegt direkt dahinter auf der Westseite des Strelasunds, und ich dachte angesichts der vorgerückten Stunde (22:00), nun würde das "rat race" um die Liegeplätze einsetzen. Aber Pustkuchen! Ich war einer der wenigen, und entsprechend groß war das Platzangebot. Guter Hafen mit sehr freundlichem Hafenmeister.

In der Baggerbucht südlich von Stralsund
In der Baggerbucht südlich von Stralsund

4. August Stralsund - Baggerbucht (Anker) 

Zunächst Benzin gekauft in der doch ziemlich weit entfernten Tankstelle (mit meinem Einkaufswägelchen - zu klein und schwach für die gefüllten Benzinkanister). Dann um 13:00 abgelegt und bei schwachem Wind in die Baggerbucht etwas südlich von Stralsund verholt. Erst unter Heckanker und vorne an einem Baum festgemacht, aber dann nahm der Wind zu, und es kam ein deftiges Gewitter auf, so dass ich in die Mitte der engen Bucht unter Hauptanker gegangen bin. Die Baggerbucht ist wirklich ein kleines Idyll: winzig, umgeben von hohen, wild bewachsenen Ufern. Stralsunder fahren hier zum Grillen und über Nacht hin, ein superschönes Ausflugsziel. Sturmböen folgten auf sintflutartigen Regen und umgekehrt.

Sicher festgemacht nach dem Gewitter mit Sturmböen
Sicher festgemacht nach dem Gewitter mit Sturmböen

So. 5. August Baggerbucht - Lauterbach 

Uiuiuiuiui! Das war wirklich hochinteressant. Mitten in einen Gewittersturm geraten. Aber der Reihe nach: Anker auf in der Baggerbucht, dann unter Segel bei halbem Wind und schönstem Wetter den Strelasund runter. Hin und her überlegt, ob ich in der Glewitzer Wiek an der Westseite von Rügen ankern soll, aber es war ein phantastisches Segeln, so dass ich einfach weiter in den Greifswalder Bodden mit Ziel Lauterbach gefahren bin. Ich wollte westlich des Hafens ankern, wenn denn die Bedingungen es erlaubten. Doch dazu kam es gar nicht erst. Auf halben Weg über den Greifswalder Bodden kam von hinten eine dunkle Front auf mich zu, die sich als dunkle Linie am südwestlichen Horizont angekündigt hatte. Ich dachte ich schaffe es noch bis in den Hafen, aber dann kriegte sie mich. Ich hatte zuerst noch mit ausgebaumter Fock vorm Wind Schmettering gesegelt, doch den Spi-Baum holte ich rechtzeitig runter. Das Großsegel aber liess ich noch oben, um es dann in wirklich allerletzter Sekunde zu bergen. Kaum hatte ich den letzten Zeisig festgezurrt, ging es auch schon los. Im Nu war ich von einer milchig weissen Masse umgeben, eine Mischung aus Luft und Wasser, die mit 9-10 Bft nach Nordost jagte und LUCY nur unter Fock auf 9 Knoten beschleunigte.

Die Wellen waren gar nicht so hoch, die Wellenspitzen wurden vom Wind abgerissen, so dass die Wasseroberfläche bemerkenswert glatt, aber weiss war. Die Fock war vom Wind u-förmig nach vorne ausgeweht, und nach dem ersten Schreck fing es an Spass zu machen, denn Lucy lief wie auf Schienen. Meine Sorge war aber ob ich die Ansteuerungstonne Lauterbach treffen würde, denn man sah nicht mehr als vielleicht 50 m in die trübe Masse. Ich hatte die Tonne nicht als Wegpunkt programmiert, so dass ich nur den groben Kurs steuern konnte. Und tatsächlich, nach etwa 10 Minuten (es kann auch eine halbe Stunde gewesen sein, ich kann da meinem Zeitgefühl nicht so ganz vertrauen) tauchte dann Backbord voraus die grüne Tonne aus dem Luft-Wasser-Gemisch auf, und da klarte es auch schon von hinten auf. Der Wind nahm ab auf immer noch 6-7 Bft, was für LUCY nur noch gute 6 Kn bedeutete. Aber ich war durch, und die Hafeneinfahrt von Lauterbach war leicht zu finden, im Gegensatz zu einem guten Liegeplatz. Ich fand dann einen freien mit direktem Blick auf dem Bodden, in südlichster Reihe. Eigentlich ganz schön, nur bliess mir der Wind nun direkt ins Cockpit. Und neue Gewitterfronten kamen nach. Ich war trotzdem froh, fest vertäut zu sein.

In Lauterbach mit Blick über den Bodden
In Lauterbach mit Blick über den Bodden

Lauterbach ist ein netter Ort im Süden von Rügen, sozusagen "Putbus-sur-mer". Die Marina ist brandneu mit allem was man so braucht. Auch kann man top-moderne Häuser auf dem Wasser ("Pfahlbauten") mit Blick über den Hafen und den Greifswalder Bodden mieten, allerdings für horrende Preise. Betreiber ist IM JAICH, eine Marina-Kette, der einige Marinas an der dt. Ostseeküste betreibt. 

 

 

6. August Lauterbach 

Hafentag, mit Spaziergang nach Putbus. War doch etwas enttäuscht, denn das Zentrum von Putbus, der "Circus", ist dich recht tot. Umgeben von teiweise noch runtergekommenen, teilweise schon renovierten weissen Präsentationsbauten, mit hohen Wänden und hohen Fenstern, nicht einladend. Vielleicht geeignet als Versichertungs- oder Bankgebäude, aber nicht um den Platz zu beleben, etwa mit Restaurants, Cafes oder Geschäften.

7. August Zickersee (Anker) 

Habe mich am späten Nachmittag noch entschieden, zum Zicker-See zu fahren, um dort zu ankern. Eine pantastische Ankerbucht. Der Abend war traumhaft, warm und sternenklar, fast südseemässig. Umgeben von den hohen Ufern des Zickerschen Höfts, die mich etwas an die Küste von Nord-Kalifornien erinnerten, wenn auch in kleinerem Maßstab. Der Wind sollte zwar zunehmen, aber ich war ganz gut geschützt am SW-Ufer.

Und nochmal in Lauterbach - diesmal im alten Hafen
Und nochmal in Lauterbach - diesmal im alten Hafen

8. August Lauterbach 

Vor der Drohung zurückgezuckt - aber so richtig war das nix mit Sturm und so; naja das kann noch kommen. Jetzt ist jedenfalls alles in Butter. Wetter schön heute abend, sonnig und warm. Habe diesmal auch mit dem Bug im Wind festgemacht, im alten Hafen von Lauterbach, der Steg gehört auch zur Marina. Heute morgen im Zickersee sah alles noch ziemlich trübe aus. Sehr windig und regnerisch. Aus Südost, d.h. ohne direkten Landschutz, und da wackelte es doch sehr. Habe mich dann um die Mittagszeit aufgemacht, Anker hoch, total verschlickt, zähe, schwarze Masse, wie Kaugummi. Dann das nächste Problem - die Ausfahrt aus dem entzückenden Zickersee hat so seine Macken. Eindeutig innerhalb des Tonnenstrichs laufe ich auf Grund; mit voll rückwärts komme ich frei; ein 2. Versuch endet genauso. Ich fahre also erstmal zurück in die Bucht um die Lage zu sondieren. Wie kann das sein - mitten in der Fahrrine? Der 3. Versuch hat dann geklappt, hart am grünen Strich entlag. Der Rest der Fahrt war das übliche der letzten Segeltage - schnelle dunkle Wolken und viel Wind, nur unter der kleinen Fock 4-5 kn bei 5-6 Bft. Guten Liegeplatz im alten Hafen von Lauterbach gefunden.

Die "Haifischbar" im Hafen von Lauterbach
Die "Haifischbar" im Hafen von Lauterbach

Direkt am Hafen gibt es eine kultige Kneipe: die Hornfischbar. Eigentlich nur eine blau gestrichene Baracke mit ein paar gelb gestrichenen Tischen und Bänken davor, außerdem Teile eines Ruderboots. Dazu Lampions. Wohlbemerkt alles draußen, auf ca. 30 qm, direkt an der Straße. Alles locker zusammengeführt und ziemlich improvisiert. Aber genau das ist der Reiz. Erinnert an die Strandbars in der Südsee, zusammengezimmert aus einer Wellblechbaracke und ein paar Tischen und Stühlen. Dazu nette und hübsche Damen als Bedienung. Allein dafür würde ich Lauterbach wieder anlaufen, aber auch sonst ein guter Hafen. Die Schmalspurbahn "Rasender Roland" (heisst so wegen 50 km/h Spitzengeschwindigkeit) startet und endet direkt am Yachthafen.

Unterwegs mit dem "Rasenden Roland"
Unterwegs mit dem "Rasenden Roland"

9. August Lauterbach 

Den "Rasenden Ronald" genommen, die komplette Strecke von Lauterbach bis nach Göhren. Zwischenstop am "Jagdschloss Granitz", mit Ausstellungen über die Jagd und ihre Bedeutung für den Menschen, dazu auch einiges über "Ötzi". Vom Turm einen kompletten Rundumblick über Rügen. Im Norden geht der Blick bis nach Møn, im Westen sieht man Hiddensee, und im Süden Stralsund. Allein dafür lohnt sich der Weg. Ansonsten ist man sehr auf Einhaltung der Hausordnung bedacht, an allen Ecken und Enden wird man mit deutscher Höflichkeit darauf hingewiesen, diese gefälligst einzuhalten. Der "Roland" ist auch ein Erlebnis: eine Schmalspurbahn im Original aus der Jahrhundertwende. Verschiedene Abteile, teilweise plüschig aufgedonnert, teilweise spartaisch eingerichtet, aber alle mit einem Bollerofen ausgestattet. Und zwischen den Waggons Platformen, von denen man die Welt an sich vorüberkriechen sieht. Bei gutem Wetter wirklich klasse. In Göhren einkaufen gegangen und an der Seebrücke ein Bier getrunken; ein endloser Sandstrand. Die Badeorte von Rügen sind wirklich schön, das kann man nicht anders sagen; alte Haüser in der typischen Bäder-Architektur, kaum sieht man architektonisch verhunzte Häuser. Man fühlt sich wohl. Kein Vergleich zu den eher hässlichen, total verhunzten westdeutschen Seebädern wie Travemünde, Grömitz, oder gar Büsum.

10. August Lauterbach - Karlshagen (Anker) 

Schöner Ankerplatz vor Karlshagen am Nordufer der Peene. Temperatursturz, sitze mit Pullover in der Kajüte, strammer Wind aus West, gewittriges Wolkentheater, Thermometer zeigt nur noch 16° (zum erstenmal unter 20°). Die Überfahrt von Lauterbach quer über den Greifswalder Bodden war ruppig und schnell, mit einer weiteren Gewitterfront aus SW, nicht so heftig wie das erste vor ein paar Tagen, aber 7-8 Bft waren das schätzungsweise auch. Aber nur unter Fock kein Problem. Die Peene hier erinnert etwas an die Binneneider.

11. August Karlshagen - Zinnowitz 

Mittags Anker auf, setze mich direkt vor einen großen Frachter. Erstaunlich, was für dicke Pötte sich durch die enge Peene quetschen. Wettrennen zur Öffnung der Peenebrücke bei Wolgast, auf den allerletzten Drücker noch durchgerutscht, ein 200m hinter mir ankommendes Boot musste abdrehen vor der sich schliessenden Brücke. Direkt hinter der Brücke eine große Werft, mit zwei riesigen Neubauten. Schwer zu glauben, wie die durch die Peene passen sollen, aber das muss ja irgentwie gehen. Kurz hinter Wolgast weitet sich die Peene zum Achterwasser, und ich setzte Vollzeug, was sich als etws viel herausstellt; jedenfalls sause ich an allen Booten vorbei bei achterlichem Wind bei 6-7 Kn. Und natürlich kommen von hinten wieder Schauerfronten auf, und ich nehme die Segel runter, um unter Motor nach nach Osten in Richtung Zinnowitz zu laufen. 

Zinnowitz ist ein witziger Hafen. Das kleine Hafenbecken wird gebildet aus drei alten und auf Grund gesenkten Schuten, die mit Sand gefüllt und von Büschen bewachsen sind. Eine interessante Konstruktion, die eine eigentümliche Atmosphäre schafft. Ansonsten moderne Einrichtungen, nette und hilfsbereite Hafenmeisterin.

Im kleinen Hafenbecken von Zinniwitz. Die Bäume sind auf der Schute gewachsen.
Im kleinen Hafenbecken von Zinniwitz. Die Bäume sind auf der Schute gewachsen.

12. August Zinnowitz 

Den ganzen Tag grauer Himmel und Regen, dazu viel Wind. Ich mache es mir gemütlich unter dem Regensegel im Cockpit, mit Wolldecke und Stephen King. Der Hafen hat so eine morbide Atmosphäre, die gut zu Stephen Kings "Desparation" passt. Ich helfe der Hafenmeisterin ein kleines Boot in den geschützten Innenhafen zu verlegen; die Frau mit 2 Kindern war an dem äusseren Anleger ziemlich durchgeschüttelt worden. Und dann wurde ich unverhofft für etwa 2 Minuten zum Skipper einer Dehler 26 aus Rostock. Als ich der Hafenmeisterin beim Verholen des kleinen Bootes ins ruhigere Innenbecken geholfen habe, fragte eine Frau ob ihr Boot in die Box nebenan verholen könnte (sie lag wie ich längsseits der Schuten). Eine Stunde vorher war sie mit ihrem Kerl eingelaufen. Der war nun verschwunden. Ob ich ihr helfen könne beim Verholen? Klar. Und unversehens war ich Skipper, denn die Frau machte keine Anzeichen, mir irgentwie zu sagen was ich tun solle, im Gegenteil, sie schien fest davon auszugehen, dass ich das Kommando übernommen hatte, spätestens, als ich den Aussenborder zum Leben erweckt hatte. Sie machte schon die Leinen los, bevor ich kaum begriffen hatte wo der Gashebel war. Wie konnte sie so ein Vertrauen haben dass ich mit Ruder und Motorkraft so umgehen konnte, dass wir keine Havarie bauten? Sie hatte mich ja vorher noch nie gesehen, geschweige denn in Aktion. Da muss so ein tief verwurzeltes Vertrauen gewesen sein, dass ein Mann sowas kann. Sie liess mich sofort ans Ruder, als ich den Motor in Gang gebracht hatte. Mit den Leinen kannte sie sich aus, denn Leinen mit Palstek lagen auf jeder Seite achtern bereit. Aber dieses blinde Vertauen ist doch erstaunlich. Das Manöver klappte dann auch reibungslos, und sie war fest vertäut in ihrer Box

Abends in Zinnowitz bei den Vineta-Festspielen. Zu Fuß etwa 20 Minuten bis in die Stadt, wo die Freilichtbühne mitten in einem Waldstück liegt. Der Weg führt zunächst durch eine dunkle Allee vom Hafen zur Hauptstrasse, dann (Tipp der Hafenmeisterin) vorbei an der DEA-Tankstelle durch verwilderte Wege hoch in eine Wohngegend mit vielen Appartement-Neubauten, und dann in die Stadt. Zinnowitz hat eine schöne Seepromenade und Seebrücke, wie überhaupt alle Seebäder an der Rüganer und Usedomer Küsten. Das Vineta-Theaterstück war sehr operettenhaft, ganz nett, aber wenn Störtebeker Bundesliga ist, dann ist Vineta höchstens Regionalliga. Zurück in kompletter Dunkelheit, recht abenteuerlich über die Feldwege und vor allem durch die dunkle Allee, ohne ein einziges Lichtquant

Krienker See - am Ende der Welt...
Krienker See - am Ende der Welt...

13. und 14. August Zinnowitz - Krienker See (Anker)

Geankert in kompletter Einsamkeit, weitab von jeglicher Zivilisation. Der Krienker See ist eine flache Bucht am südlichen Ende des Achterwassers. Ausser ein paar Häusern am östlichen Ufer komplett wild, ohne jegliche Spuren menschlicher Zivilisation. Ich ankere am Nordwestufer auf 1.5 m, am Schilfufer. Bei diesem Wetter, diesig bei Nieselregen, hat der Ort eine sehr abgründige, fast gruselige Atmosphäre. Unheimlich. Am Südufer sieht man bewaldete Hügel aus dem Dunst aufsteigen. Rundum verschilfte Ufer, dahinter ein Sumpf mit Baumgerippen, im Hintergrund dunkle Wälder. Eine Erhebung wie ein Grabhügel. Geschlossener Schilfgürtel. Mit dem Dingi das kompletter Westufer abgerudert, nirgentwo durchzukommen. An einer Stelle war eine kleine Einbuchtung, die aber auch innen komplett zugewachsen war. Aber dort gelang es mir auf einen Baum zu klettern, von dem ich aber auch nur Wildnis sehen konnte. Ein sehr einsamer Platz. Das Wasser hier ist allerdings eine dunkelgrüne Brühe, fast schon zähflüssig. Der Grünton würde jeder Phytoplanktonkutur zur Ehre gereichen.

Am Morgen war das Cockpit voller Fliegenkadaver...
Am Morgen war das Cockpit voller Fliegenkadaver...

15. August Krienker See - Marina Kröslin 

Heute nacht die Insektenkatastrophe. Leider liess ich überm Cockpittisch die Petroleumlampe brennen. Über die paar Mücken machte ich mir zunächst keine Gedanken, es waren keine Stechmücken, und, naja, in der Wildnis gibt es eben wilde Tiere. Aber als ich dann in der Koje lag und nach hinten schaute, sah ich eine dichte Wolke um die Laterne, begleitet von deutlich hörbarem Summen. Auch in die Kajüte und zu mir in die Vorpiek drangen sie schon in größerer Zahl vor. Als ich dann nach hinten ging um mal nachzuschauen, kriegte ich einen Schock: das gesamte Cockpit war schwarz vor Mücken. Auf den Cockpitbänken war die Mückenlage schon zentimeterdick, und man konnte die Laterne kaum noch sehen vor Milliarden wahnsinnig wuselnder Mücken. Es war zu spät, die Laterne nach vorne zubringen, also machte ich die Schotten dicht, und killte soviele Mücken wie möglich in der Kajüte, Licht aus. Ich hatte sogar Angst, dass die Milliarden von Mücken vor dem Niedergang mir den Sauerstoff rauben, aber das war dann doch etwas übertrieben.

Heute morgen dann die Luke auf, und da war der Horror: das kompette Cockpit war zentimeterdick bedeckt mit halbtoten Mücken. Ich musste meinen Ekel überwinden und die Schweinerei beseitigen, was mich den ganzen Morgen und Vormittag beschäftigte. Mit Kehrblech zunächst die Lagen abtragen, dann mit Schrubber und Schwamm die restlichen Überbleibsel wegmachen, was sich als das Schwierigste herausstellte: kleine schwarze Klümpchen, festgebacken (Kotkügelchen?), und vor allem die kleinen Schleimpakete, die überall klebten. Eingebettet kleine schwarze Pünktchen, Eier (?). Alle Leinen, Schuhe, der Cockpittisch, der Motor, die Pinne, alles voll damit. Nach 4 h war dann soweit alles sauber (mit der dunkelgrünen Algensuppe), so dass ich aufbrechen konnte, wieder auf den letzten Drücker zur Wolgaster Peenebrücke.

 

Ein heisser Tag. Die Peene rauf, abends dann in der Marina Kröslin, genau gegenüber Peenemünde. Großer, sehr guter Hafen. Bier direkt am Hafen, komme ins Gespräch mit 2 Motorbootfahrern vom Anglerverein Lauterbach. Der Greifswalder Bodden und die vorpommerschen Gewässer sind für sie das Revier, für die offene Ostsee taugen ihre teilweise selbstkonstruierten, 5einhalb Meter langen Sperrholzbauten nicht. Sie sind aber zufrieden, was man ja verstehen kann.

16. bis 18. August Marina Kröslin - Lohme 

Seit 4 Tagen bin ich nun in diesem entzückenden Hafen direkt unterhalb des Rügener Steilufers des Jasmund. Ein wirklich traumhafter Platz, der vielleicht schönste Hafen bisher. Unter Flaute eingelaufen, habe ich dann gestern einen "Urlaubstag" eingelegt, und wollte heute rüber nach Schweden. Naja, als das Startfenster sich öffnete (5 Uhr heute morgen) war dann Gewitter und Starkwind. Auch jetzt noch Starkwind aus Ost. Morgen soll es auf Süd/Südwest gehen und abnehmen, aber Gewitterböen. Wenn nicht gerade Flaute ist oder Starkwind, dann drohen Gewitterböen. Mal eine konstante Periode mit gutem Segelwind und schönem Wetter? Vergiss es. 

Als ich hier vorgestern einlief, traf ich Bolle beim Hafenmeister. Er war mit Crew aus Warnemünde unterwegs. Sie hatten mich in der Prorer Wiek überholt, bis uns die Flaute dann zur Anwendung der Motorkraft zwang. Abends kam dann das angekündigte Gewitter, ziemlich heftig, aber nicht aussergewöhnlich. Im Radio hatte sich das sehr dramatisch angehört (zog aus Frankreich herauf, dort 3 Tote, weiter über Norddeutschland nach Rügen und Usedom, "Unwetterwarnung"). Nach dem Gewitter war das Wasser ganz trüb und kreidig.

Im einzigartigen Hafenbecken von Lohme
Im einzigartigen Hafenbecken von Lohme

Dieser Hafen ist auch so einzigartig, weil eine steile Treppe nach oben das Steilufen hochführt, auf halben Weg das "Cafe Niedlich" mit großer Terasse. Einzigartiger Blick auf den Hafen und die Ostsee und rüber zum Kap Arkona. Hier bei einem kühlen Bier die Sonne beim Untergehen beobachten - schöner kann es fast nicht werden. So ungefähr stelle ich mir den perfekten Hafen vor. Ein paar Meter entfernt ein Strand mit grossen Kieselsteine, nicht ideal zum Baden, aber ich war trotzdem mehrfach drin. Wirklich schön. 

Gestern zu Fuß zum Königsstuhl, Stubbenkammer. 4 km durch den Urwald direkt unter der Steilküste. Erinnert sehr an die Steiküste westlich von Warnemünde (Stolteraa, Nienhagen, "Geisterwald"). Heimweh. 

Ich bin noch immer auf der Hinreise, genau 4 Wochen unterwegs, aber der Scheitelpunkt meiner Reise liegt etwa noch 3-4 Wochen in der Zukunft. Kristineberg soll es sein. Flasche Bier abgeben im Auftrag von Katrin, dann rüber nach Skagen, und mich für 2-3 Tage bei Elke und Werner einquartieren (richtiges Bett im Ferienhaus). Ich will jetzt endlich los Richtung Norden, Richtung schwedische Schären.

Der neue Hafen von Glowe, im Hintergrund Kap Arkona mit blinkendem Leuchtturm
Der neue Hafen von Glowe, im Hintergrund Kap Arkona mit blinkendem Leuchtturm

19. August Lohme - Glowe 

Es hat mich nicht mehr in Lohme gehalte, so schön der Hafen auch ist. Und wo ich schon mal hier bin, kann ich mir ja auch noch den anderen neuen Hafen angucken. Brandneu, modern, allerdings nicht so viel Platz wie erwartet. Und überall dicke und fette Spinnen. Die Überfahrt war zwar nur 6 sm, aber spannend, da sich auch SW wieder so eine dunkle Front näherte, und aus NO noch hohe Dünung heranrollte. Kaum war ich draussen, bereute ich es auch schon, um 6 Uhr abends noch rausgefahren zu sein, aber dann hellte es auch wieder etwas auf im Westen, und dann war ich auch schon da. Der Hafen liegt genau in der Niesche zwischen der niedrigen Steilküste und der riesigen bewaldeten Sandküste, die bis rauf zum Kap Arkona verläuft.

20. August Glowe 

Immer noch keine idealen Bedingungen für den Sprung nach Schweden. Statt dessen machte ich per Bus einen Ausflug nach Sassnitz. Der komplette Ort besteht aus einer einzigen Baustelle. Alle Straßen sind aufgebrochen. Die Bank hat keine schwedischen Kronen. Und eine Tankstelle ist ebenfalls nicht zu entdecken, auch nicht am Hafen. Ich finde dann eine etwas ausserhalb. Seltsame Stadt, dieses Sassnitz.

Kap Arkona
Kap Arkona

21. August Glowe - Falsterbo-Kanal (Höllviken) 

Um halb 6 schon im hellen losgefahren; zunächst kaum Wind, dann zunehmend aus NNW, und ich gegenan mit Motor. Die See recht hoch, so dass LUCY manchmal in die Wellentäler kracht. Mit fast Vollgas gegenan 4-5 Knoten. Auf der Hälfte der Strecke nahm der Wind etwas ab, und es ging besser. Mittags war dann der Tank leer, was mir erlaubte eine Verbrauchsrechnung durchzuführen: in 7h 23L verbraucht, d.h. 3 L/h; anders ausgedrückt: 1.62sm/L oder 3km/L oder 0.33L/km oder 33L auf 100km. Das sind natürlich Zahlen am oberen Ende der Skala, bei ¾-Gas und weniger Wind und Seegang von vorne dürfte das bedeutend weniger sein. Kurz nachdem ich nachgetankt habe, war der Wind östlich genug zum Segeln, die letzten 15 sm konnte ich dann bei schönen 4 Bft. ohne Motor fahren.

Vor dem Falsterbo-Kanal
Vor dem Falsterbo-Kanal

Durch den Falsterbo-Kanal an der südwestlichen Spitze, und dann eine unerfreuliche Begebenheit: Klappbrücke Höllviken, auf der anderen Seite ist der Hafen. Ich warte, gebe Schallsignal. Warte weiter, nichts passiert. Auf der anderen Seite warten auch 2 Yachten. Dann geht die Brücke auf, bei mir noch rot, die beiden fahren durch, bei mir bleibt die Ample auf rot, ich fahre trotzdem los, dann geht auf einmal die Brücke runter, kurz bevor ich durchfahren kann, muss voll rückwärts. Warum hat der mich nicht durchgelassen? Kann es sein dass er mich nicht gesehen hat? Dann muss da aber ein wirklich mit Blindheit geschlagener gesessen haben. Jedenfalls - ich warte weiter, bis gegenüber ein Coast Guard-Schiff kommt, danach bekomme auch ich ein grünes Signal. War das nun Blindheit oder Schikane? Bin jedenfalls etwas sauer auf diese etwas zweifelhafte Begrüßung in Schweden. Ich mache in einer freien Box fest. Das wäre also geschafft. Traumhaftes Wetter, heiss und sonnig. Morgen gehts rüber nach Kopenhagen.

Die neue Sundbrücke
Die neue Sundbrücke

22. und 23. August Kopenhagen/Christianshavn 

Viereinhalb Stunden bei Flaute und schönstem Sommerwetter rüber nach Kopenhagen motort. Zunächst nicht die Einfahrt in den Christianshavn gefunden, wie eine andere Yacht vor mir auch. Dann im inneren Teil des doch recht engen Kanalsystems mich in einen freien Platz gequetscht. Da bin ich nun, im Herzen von Kopenhagen. Wetter heiss. Ich erkunde die Gegend, werde wohl morgen auch hier bleiben. Laufe durch die Stadt, erlaube mir ein Bier und wundere mich wie teuer das ist, 9 Mark. Die Stadt vibriert vor Leben. Werde Zeuge einer Auseinandersetztung zwischen zwei Bettlern. Einem wird so ins Gesicht geschlagen, das er heftigst aus der Nase blutet. Sofort sind mehrere Frauen da um ihm zu helfen, mit Wasser und Taschentüchern. Das alles findet vor McDonalds, mitten in der Fußgängerzone statt. Der Schläger ist verschwunden.

Sauber eingeparkt in Christianshavn
Sauber eingeparkt in Christianshavn

Wieder benutze ich den Roller, und er erweist sich als das ideale Fortbewegungsmittel. Nicht so schnell wie ein Fahrrad, aber viel schneller als zu Fuß. Und sehr handlich. Ich cruise durch die Stadt, kaufe Seekarten der schwedischen Westküste, und weitere Kleinigkeiten. Auf einem Platz in der Innenstadt eine Ausstellung von Luft-Landschaftsaufnahmen, sehr beeindruckend.

24. August Kopenhagen - Helsingør 

Gemächliches Segeln unter bedecktem Himmel durch den Øresund. Kurz vor dem Hafen bekomme ich ziemliche Probleme mit dem Fähr- und Schiffsverkehr, muss mehrfach den Kurs wechseln und ausweichen. Mache dann zunächst an der Automatentankstelle fest, wo meine Kreditkarte seltsamerweise nicht akzeptiert wird. Ein nettes dänisches Ehepaar macht längsseits fest, ich tanke mit deren Karte, gebe ihnen das Geld in bar zurück. Sie überführen ihre neu erworbene, gebrauchte alte, sehr schöne Hallberg Rassy. 

Ich mache dann in einer freien Box fest, gegenüber ein alter Holzkutter mit einem Pulk freakiger junger Leute. Ich schlendere durch den sehr schönen Ort. Auf einem Platz in der Ortsmitte Biergartenatmosphäre und eine Band, die bekannte Hits covert. Band und Anlage finden Platz auf der Ladefläche eines Lastwarens, die Plane ist weggenommen. Die perfekte Bühne. Ich setzte mich auf einen Bier und höre zu. Als sie Claptons "Wonderful tonight" spielen, werde ich sehr melancholisch.

Ich umrunde das Schloss von Helsingør und gehe zurück zum Schiff, wobei ich das Gefühl habe dass mich ein alter, blasser Typ verfolgt. Er war mir hinter dem Schloss begegnet, kurzer Gruss, dann geht er in die selbe Richtung, und in welche Richtung ich auch gehe, er geht mir nach. Ich halte an der Pier an um zu sehen was er macht, er spaziert weiter, an mir vorbei, nicht ohne sich ab und zu umzudrehen. Offensichtlich weiss er jetzt nicht mehr was er machen soll, er wirkt ziellos und verunsichert. Ich gehe langsam weiter, warte bis er sich versichert hat dass ich in seine Richtung gehe und sich wieder umdreht, dann biege ich schnell ab hinter das Klohäuschen und auf den Steg, an dem LUCY liegt. Ich verschwinde schnell in der Kajüte und kann beobachten wie er mich sucht. Eindeutig, dass er mich sucht, er läuft alle Stege ab, ich bleibe in der Kajüte und lege mich etwas hin. Zum Glück hat er mich nicht entdeckt. Was soll das? Bin ich paranoid? Aber es war eindeutig, dass er mir nachgegangen ist, und mich gesucht hat, nachdem er mich verloren hat. 

Sehr viel später klopft der junge Typ von dem Holzkutter gegenüber an und läd mich ein zu einem Bier. Nette junge Leute, alles angehende Bootsbauer, die in Helsingør eine Schule besuchen, oder auf einen Praktikumsplatz warten. Der Besitzer des Kahns ist ein schlanker großer Däne mit langen verfilzten Rastalocken, er wohnt auf dem Kahn. Zwei Deutsche aus Flensburg sind auch dabei. Musik, Bier und Joints machen die Runde. Irgentwann verabschiede ich mich in die Koje.

Vor Kullen
Vor Kullen

25. August Helsingør - Sandhamn/Hallands Väderö 

Es geht im Affentempo den Sund raus Richtung Norden, 7 Knoten bei halbgas und Flaute, der nordwärts setzende Strom schiebt ganz schön. Zunächst heiss und sonnig, und nachdem ich Kullen gerundet habe, nimmt die Bewölkung zu. Hallands Väderö ist der erste Vorgeschmack auf die Schären, und ich ankere in einer wunderschönen Bucht im Norden der Insel, Sandhamn. Neben mir tun das noch 5 andere Yachten. Ich schnorchle, relaxe, fahre mit dem Dinghi zur Insel, mache Fotos. Wirklich wunderschön. Leider ist ein Wetterumschwung angesagt mit Nordweststurm, so dass ich nicht bleiben kann. In der Nacht briest es auf, SW 5-6.

Starkwind aus dem offenen Kattegat hält mich für 3 Tage in Torekov fest. Im Bild die vorgelagerte Insel Hallands Väderö...
Starkwind aus dem offenen Kattegat hält mich für 3 Tage in Torekov fest. Im Bild die vorgelagerte Insel Hallands Väderö...

26. bis 28. August Torekov 

Am Morgen rübergefahren von Sandhamn nach Torekov, einem sehr schönen kleinen Fischerhafen. 2 sm gegen SW 5-6 mit Motor, und ziemlich hohen Wellen. Dann die Schrecksekunde: der Motor stirbt ab. Zwar keine unmittelbare Gefahr, denn ich werde nicht auf das Land zugetrieben. Aber doch ziemlich mulmig. Ich reisse an der Leine, er geht wieder an, stirbt sofort wieder ab. Ich mache beide Anschlüsse ab und wieder dran, kontrolliere die Tankentlüftung, reisse wieder an der Leine. Er spring an und nimmt wieder Gas an, ich nehme Kurs auf den Hafen, mache dort sicher in einer Box direkt hinter der Mole fest. Dort sehe ich, dass ich den Benzinschlauch nicht mehr mir dem Motor verbunden hatte, nachdem ich ihn während des Ausfalls rausgezogen hatte. Er war also über eine Seemeile nur mit dem im Vergaser und Schläuchen vorhandenen Sprit gelaufen. Will nicht dran denken, wenn der Motor mitten in der Einfahrt, zwischen den Untiefen, ausgegangen wäre. dann wäre meine Reise wohl zuende gewesen. Der starke SW hätte mich aus der Fahrrinne auf die Felsen getrieben, ohne dass ich schnell genug mit Segeln hätte reagieren können.

Schnell in den Hafen! Die grüne Boje wurde in der Nacht vom Sturm etwa 100m nach Lee versetzt
Schnell in den Hafen! Die grüne Boje wurde in der Nacht vom Sturm etwa 100m nach Lee versetzt

Hier sitz ich nun, komplett eingeweht (NW 8-9), und seit einer Stunde etwa regelrecht eingeregnet und eingefroren, denn heute gab es den befürchteten Temperatursturz. Heute mittag bei 8 Windstärken noch fast 20°, jetzt sind es noch 15. Als der Wind abnahm, kam der Regen und die Kälte. Naja, jetzt sitze ich gemütlich in der Kajüte unter der Wolldecke und schreibe. Meine Hände sind heiss, eben sind sie noch eisskalt gewesen, als ich im Regen draussen, war um Fisch zu kaufen. Habe nachlässigerweise keine Regenhose angezogen, jetzt ist meine lange olivgrüne Hose nass; die kurze-Hosen-Zeit scheint jedenfalls erstmal vorbei zu sein. Hoffen wir das beste.

Die Nacht war sehr unruhig: das Boot zerrte wie ein Wildpferd an seinen Seilen. Die Kombination aus Schwell und Sturm führte immer wieder zu ruckartigem Strammwerden der Leinen. Auf der anderen Seite der Steinmole, an der ich liege, war die Hölle los. 2m-Brecher krachten gegen die Mole und grünes Wasser kam rüber, so dass ein Gang zum Klo ein Spiessrutenlaufen war. Insgesamt erinnert mich die Situation an einen meiner Schottlandurlaube, bei dem ich ähnliche Bedingungen hatte, mit Zelt und Motorrad. Die Kajüte ist schon etwas angenehmer als ein Zelt bei diesen Bedingungen. 

Ich mache einen Spaziergang durch den Ort, der mich etwas an die Küstenorte von Maine erinnert. In Pastellfarben, grün, gelb, blau gestrichene Holzhäuser mit großen Gärten und Veranden. Direkt am Wasser stehen Tische und Stühle. Bei diesem Wetter setzt sich hier niemand freiwillig.

Zwei Schiffe weiter eine deutsche Yacht aus Grömitz, "Corona", mit aufgemalter Goldkrone. Der Skipper mit sorgenzerfurchtem Gesicht, sein Boot spinnenwebenartig in alle Richtungen abgesichert, teilweise über mehrere Nachbarboote hinweg. Ich denke, da übertreibt aber einer. Griesgrämig, ein Lächeln habe ich in den 3 Tagen von ihm kein eiziges Mal gesehen, und gehört nur Gejammere, wie schrecklich alles ist. Auf mein beschwichtigendes "das schlimmste haben wir wohl überstanden" nur ein abweisendes Kopfschütteln. Unangenehm. Werde später in Göteborg jemanden treffen, der ebenfalls das Vergnügen mit dem "Corona-Mann" hatte.

 

 

 

 

Im Hafen von Torekov

Der kuschelige Hafen von Träslövsläge
Der kuschelige Hafen von Träslövsläge

29. August Torekov - Träslövsläge 

Was für ein komischer Name für einen Ort. Wahrscheilich nicht für schwedische Ohren. Unter Groß und Motor gegenan Richtung Norden gefahren, teilweise recht ruppig, dann nahm der Wind wieder ab. Ein langer Schlag, 40 sm in 8h. Ein netter, ruhiger Hafen, eingerahmt von kleinen Fischerhütten, ein Restaurant direkt am Hafen. Es wird empfindlich kühl abends.

Der Naturhafen Ramnö im Eingang zum Kungsbacka Fjord. Der schönste Ankerplatz meiner Reise
Der Naturhafen Ramnö im Eingang zum Kungsbacka Fjord. Der schönste Ankerplatz meiner Reise

30. August Träslövsläge - Ramnö 

Mein erstes echtes Eintauchen in das Schärengebiet. Nach volltanken (Kreditkarte vom Automaten akzeptiert) unter Motor nach Norden gelaufen. Zuerst versucht, in der Bucht von Malöhamn einen Ankerplatz zu finden, aber da Südost zunehmend 5 - 6 angesagt war, und der Ankergrund entweder sehr tief (> 9m) und relativ ungeschützt nach SO, oder sehr flach, verkrautet und an besiedelten Ufern war, bin ich zurück nach Ramnö gelaufen, einen Naturhafen im Eingang zum Kungsbacka Fjord, sehr schön gelegen. Dort kann ich relativ geschützt nördlich einer kleinen Insel ankern konnte, auf 3 - 4 m. Ein wirklich phantastischer Platz.

Der Kungsbacka-Fjord von der Insel Ramnö aus
Der Kungsbacka-Fjord von der Insel Ramnö aus

Mit dem Dinghi auf die große Insel gefahren, Natur pur. Riesige Libellen. Phantastische Blick rundum. Leider hat der Wind dann vorhersagegetreu in der Nacht zugenommen, sodass ich mitten in der Nacht kein Auge mehr zugemacht habe und mich rausgesetzt habe. Der Wind hatte etwas gedreht, so dass Lucy etwas Richtung Land geschwojt ist, und ich war nicht ganz sicher ob der Anker auch wirklich in dieser Richtung halten würde. Ich wurde jedoch durch einen phantastischen Sternenhimmel und mehrere Sternschnuppen entschädigt. Ich kann mich nicht erinnern, jemals einen so dichten Sternenhimmel gesehen zu haben. Mit dem Fernglas konnte ich dann nochmal Hunderte von Lichtjahre tiefer ins Universum gucken, und tausende von weiteren Sternen erschienen.

31. August - 2. September Göteborg/Lille Bommen

3 Hafentage, Großstadt-Tage. Riesiges Einkaufszentrum direkt am Hafen, mit allem was man sich nur vorstellen kann. Erster Gang zu McDonald´s. In Göteborg gibt es schätzungsweise 20 McDonald´s-Filialen, selbst im Einkaufszentrum gibt es deren 3. Und in jeder größeren Straße in der Innenstadt. Die Stadt hat fast etwas südlichen Flair, mit Straßencafes, großen Magistralen mit Geschäften aller Art, Parks, Grachten. Erinnert fast etwas an Paris.

Die Überfahrt war exzellentes Segeln bei halben, ablandigem Wind. 5 - 6 Knoten im Schnitt, die Schären flogen nur so an mir vorbei. Je näher Göteborg kam, desto mehr nahm der Verkehr zu, und ds Fahrwasser wurde zunehmend enger. Kurz vorm Göta Älv dann Segel runter, Motor an und gegen Wind und Strom den Fluss hoch in die Innenstadt. Keine Lust auf die gesichtslosen Marinas mit ihren tausenden von Liegeplätzen. Ich mache nur noch 3.5 - 4 sm, brauche also gut eine Stunde für die 4 sm den Fluss hoch zum Gästehafen Lille Bommen. Mitten in der Stadt gelegen, teuer (150 kr) und laut. Aber genau das was ich brauche, bei dem Wetter. Es regnet und stürmt nämlich fast ununterbrochen. So war ich dann auch einen Tag lang in dem Vergnügungspark "Liseberg". Hier gibt es alles, was man von so einem Park erwartet: künstliche Wildwasserbahn, Achterbahn, Schießbuden, Würstchenstände, Biergärten, Gruselhotels, Spiegelkabinetts, Zuckerwatter, etc. Und was es auch gab: ein Science-and-Nature Museum, das "Universum", und ein CineMaxx-Kino. Das Museum, brandneu, war eine ziemliche Enttäuschung. Kaum interessante Dinge zu sehen, ziemlich chaotisch, und alles auf schwedisch, kein Englisch. Eher sowas wie ein Abenteuerspielplatz für Kinder, mit Sachen zum Drehen, anfassen, etc. In dem Cinemaxx-Kino habe ich mir dann 2 Filme angeguckt: einen 3-D-Film, der mit dämlicher "Rahmenhandlung" die technischen Möglichkeiten des 3-D-Effekts aufzeigt, und die sind gelinde gesagt phantastisch. Man glaubt in die Leinwand greifen zu können, und man will sich unwillkürlich ducken, wenn etwas aus der Leinwand herausgeschossen kommt. Man fragt sich, warum nicht auch Kinofilme mit diesem Verfahren gedreht werden. Vielleicht zu aufwändig und teuer, und vielleicht braucht man doch mehr als eine grün-rote Brille zum Angucken. Der zweite Film war "Everest", der zufällig die Ereignisse im Mai 1996 dokumentierte (einige Tote beim Abstieg). Leider auch schwedisch synchronisiert, was bei "normalen" Kinofilmen gar nicht der Fall ist.

Am nächsten Tag war das Wetter dann noch schrecklicher, und ich flüchtete wieder ins Kino, triple feature: 1. Jurassic Park III, naja, unter diesen Umständen konnte man ja eh nicht viel besseres machen; 2. Blow, hervorragender Film (Drogenkarriere eines amerikanischen Dealers); 3. Driven, von und mit Sylvester Stallone, unterirdisch schlecht. Haarsträubende Story, schlecht gespielt, mit zusammengezimmerten Indy-Car-Crash-Szenen. Egal, es hat mich über den Horrortag gerettet. Abends mache ich Bekanntschaft mit einem jungen Kieler Pärchen, unterwegs mit einem Schärenkreuzer, insgesamt 3 Monate unterwegs über Bornholm, Stockholm und Götakanal. Sie erzählen Geschichten vom "Corona-Mann", wie der sich während der Scheusungen im Göta-Kanal aufgeführt hatte.

In Göteborg mache ich auch Bekanntschaft mit den schwedischen Alkoholrestriktionen. Normales Bier und Wein, geschweige denn die härteren Sachen, kann man in Schweden nicht im normalen Supermarkt kaufen, dort gibt es nur alkoholische Getränke unter 3.5%. Für die härteren Sachen gibt es spezielle Läden, die so genannten "Systembogalet". Das sind blitzsaubere Orte, eher Schalterhallen einer Bank oder Flughafenwartehallen ähnlich als Alkoholspilunken. Man zieht ein Märkchen und kann sich dann in die Wartezone zurückziehen, in bequeme Sessel oder Coutches, zwischen Pflanzenkübeln und riesigen Glasvitrinen, in denen das Teufelszeug ausgestellt ist, mit Name, Jahr, Herkunftsort, Preis und Code-Nummer, neben einer kurzen Beschreibung. Ein seltsames Bild, profane Bierdosen aller möglichen Sorten, säuberlich aufgestellt wie antike Artefakte in blitzblanken Glasvitrinen. Ein Signalton und die LED-Anzeige über den halbkreisförmig angeordneten Schaltern informiert einen, dass man dran ist. Man nennt die Codenummer und bekommt den Stoff ausgehändigt. Bis vor etwa 2 Monaten waren die Systembogalet nur Mo-Fr geöffnet, jetzt haben sie sich an die allgemeinen Öffnungszeiten angepasst.

Unter dramatischem Himmel durch die Schären
Unter dramatischem Himmel durch die Schären

3. und 4. September Marstrand 

Diesmal West 5, d.h. mit Motorkraft genau gegenan den Fluss runter, bei zunehmendem Seegang und Nieselregen. Endlos, bis ich endlich nach Norden abbiegen kann, dann gutes Segeln bei halbem Wind. Sehr schön durch die Schären, dann durch den engen Albrektssund-Kanal nach Marstrand. Einmal kurz verfahren wegen falsch eingegebenem Wegpunkt (!), aber rechtzeitig gemerkt. Wetter ganz gut, Sonne-Wolken-Mix. Dort, wo die vorgelagerten Schären Lücken lassen, kommt hoher Schwell aus Westen. Bis auf die erste Stunde ein hervorragender Segeltag.

Durch den engen Albrektssund-Kanal
Durch den engen Albrektssund-Kanal

Marstrand ist im Sommer das Mekka der Schärensegler, mit mehreren Hundert Booten, die sich um die knappen Liegeplätze kloppen. Nun bin ich neben 4 anderen Booten fast allein am Steg. Wo sich im Hochsommer die Boote stapeln, und man schon mittags keinen Liegeplatz mehr bekommt, scheissen jetzt die Möven auf verwaiste Steganlagen. Kein Hafenmeister, nur ein Automat, an dem man ein Ticket zieht. Teuer, 120kr. Der Ort ist eigentlich sehr schön, aber total ausgestorben. Alle Kneipen, Restaurants, Cafes, Geschäfte haben geschlossen, bis auf ganz wenige. Ich bin froh, dass ich einen kleinen Lebensmittelladen finde. Der Ort ist traumhaft gelegen: mitten in einem aus 3 Inseln gebildeten Naturhafen, der in der Mitte eine Bucht bildet, eine verlassene Western-Stadt, das ist Marstrand. Ich bleibe 2 Tage, das Wetter macht eine trostlose Stimmung.

5. September Marstrand - Ljungskile 

Der Herbst ist entgültig da, wer hätte das gedacht. Draussen gerade noch mal 14 Grad, kurz vor 9 abends. Wollte eigentlich ankern, aber alle in Frage kommenden Buchten waren entweder bis ans Ufer zu tief oder mit Moorings und Privatstegen vollgepfropft. So bin ich dann in den Hafen von Ljungskile ausgewichen. Wenigstens sicher festgebunden. Und viel zu tun oder zu sehen gibt es nicht wenn man um halb 8 erst festmacht, dann was kocht und isst, und dann wird es schon dunkel. Hatte heute das mir schwer auf dem Gemüt liegende Gefühl, dass ich in Mondsee hätte zusagen sollen. Östlich von Orust ähnelt das Revier sehr einem Alpensee, und ich musste an den Attersee denken.

5. September Marstrand - Ljungskile 

Der Herbst ist entgültig da, wer hätte das gedacht. Draussen gerade noch mal 14 Grad, kurz vor 9 abends. Wollte eigentlich ankern, aber alle in Frage kommenden Buchten waren entweder bis ans Ufer zu tief oder mit Moorings und Privatstegen vollgepfropft. So bin ich dann in den Hafen von Ljungskile ausgewichen. Wenigstens sicher festgebunden. Und viel zu tun oder zu sehen gibt es nicht wenn man um halb 8 erst festmacht, dann was kocht und isst, und dann wird es schon dunkel. Hatte heute das mir schwer auf dem Gemüt liegende Gefühl, dass ich in Mondsee hätte zusagen sollen. Östlich von Orust ähnelt das Revier sehr einem Alpensee, und ich musste an den Attersee denken.

6. und 7. September Ljungskile - Henån 

Mit dem Motor durch die engen Durchfahrten nördlich von Orust, vorbei an traumhaften Naturhäfen und Ankerplätzen. Unter anderen Bedingungen hätte ich sie alle angelaufen. Aber es stürmt und regnet in Schauern, eine Front jagt die nächste. In diesen sehr geschützten Gewässern kann ich weitgehend unabhängig vom Wetter fahren. Meine ursprünglichen Ankerpläne werfe ich über den Haufen, ich würde kein Auge zu machen. 

So gehe ich nach Henån, das sehr geschützt im Norden von Orust liegt. Hier ist die Heimat der Najad-Yachten. Von meinem Liegeplatz aus kann ich beobachten, wie sie zu Probefahrten in den Fjord rausfahren. Unter Motor, scheinbar ziellos hin und her, oft auf der Stelle driftend. Das geht so den ganzen Tag. Am Najad-Steg liegen etwa 8 brandneue, scheinbar schon verkaufte Yachten verschiedener Größe, alle schon mit Namen. Ein halbfertiger Rumpf steht an Land, eine weisse Kunststoffhülle ohne Fenster und Beschläge, nackt und jungfräulich.

Henån liegt geschützt in einer Bucht an der Nordseite von Orust
Henån liegt geschützt in einer Bucht an der Nordseite von Orust

Auch hier bleibe ich 2 Tage, und mache Bekanntschaft mit einem Norweger aus Bodø, der hier sein Schiff, eine 20 Jahre alte Najad (etwa 34 Fuß) für den Winter lassen will. Nächsten Sommer will er dann über die Ostsee, Åland-Archipel und Götakanal wieder zurück. Ein pensionierter Polizeibeamter, jetzt Präsident von SOS Kinderdorf in Nord-Norwegen. Ein interessanter Abend mit diesem untypisch offenen und kommunikativen Nordländer. 2 Flaschen Rotwein verschwinden.

Der Hafen von Lysekil
Der Hafen von Lysekil

8. September Henån - Lysekil 

Bei schönem Wetter (Sonne) geht es durch haarsträubende Fahrwasserengen, die teilweise 3 kn Strömung haben und vielleicht 10 m, teilweise nicht mehr als 5 m breit sind, Richtung Fiskebäckskil/Lysekil. Vorbei am Anleger Bassholmen, der selbst jetzt noch voll belegt ist. Traumhafte Landschaft. Muss im Sommer das Paradies sein, dann aber sicher überfüllt. Ich komme ohne Aufsetzer durch die "Stromschnellen", und bin schnell im großen Gullmarnfjord, dem einzigen "richtigen" Fjord an der schwedischen Westküste, in dem Sinn, dass er richtig tief ist, einige 100m. An seinem Südufer liegt Fiskebäckskil mit dem meeresbiologischen Labor Kristineberg, am Nordufer die größere Stadt Lysekil. Nach kurzem Überlegen entscheide ich mich für Lysekil, da ich dort die zahlreicheren Zerstreuungsmöglichkeiten vermute, falls ich komplett eingeweht und eingeregnet werde.

Aber auch hier tote Hose. Weit und breit kein Hafenmeister, Duschen abgeschlossen, der im verwaisten Hafenbüro ausgehängte Wetterbericht datiert vom 26. August. Wenigstens die Klos sind auf, und im Ort gibt es einen Supermarkt und ein Kino. Das wars dann aber auch schon fast. Lysekil hat den Charme von Kiel-Gaarden.

Blick über den Gullmarn Fjord
Blick über den Gullmarn Fjord

9. September Lysekil 

Tiefpunkt. Draussen kalt, grau, windig, regnerisch. Mache es mir drinnen warm mit meinen 3 Petroleumlampen, das geht ganz gut. Wäre sonst auch zu schrecklich. Ich will nach hause, es reicht. Morgen Kristineberg, dann am Dienstag oder Mittwoch, je nach Wettervorhersage, rüber nach Skagen. A propos Wettervorhersage: ich habe langsam das Gefühl der DWD betreibt Panikmache. Von den angekündigten 8 Bft sind hier mal gerade 5 angekommen, und das auch nur in Böen! Und so geht das die ganze letzte Woche: Sturmwarnungen für den Skagerrak, doch es kommt wenig an. Die lokalen Wetterberichte hier in den Häfen (wenn denn überhaupt noch welche ausgehängt werden) liegen denn auch immer mindestens 2 Windstärken unterhalb den DWD-Windstärken. Klar, im offenen Skagerrak kann es schon viel heftiger wehen als hier in den geschützten Gewässern, aber trotzdem.

Bei genau halbem Wind schlägt der Wimpel und die Gastflagge manchmal an die Oberwant, was den dumpfen Klang einer ungestimmten Klavierseite macht. Überhaupt kommen immer neue Geräusche hinzu. Das Klappern der losen Kabel im Mast ist ja altbekannt, wenn es etwas unruhig ist. Und das Schlagen der Fallen aussen am Mast habe ich ja durch Wegbinden verhindert. Aber dann sind da manchmal undefinierbare Geräusche am Bug: ein Klicken, Klackern, Knirschen. Durch festzurren der Vorsegel, besonders am vorderen Befestigungspunkt, ist das Klackern ziemlich zu unterbinden, und das Knirschen muss mit dem Reiben der vorderen Festmacher am Bug zusammenhängen, aber manchmal ist ein gänzlich neues Geräusch dabei, das sich immer genau dann bemerkbar macht, wenn ich dabei bin, einzuschlafen.

War heute abend nochmal im Kino, zur Frustbekämpfung. Schönen Film gesehen, von und mit Billy Crystal: American Sweethearts. Der Mann hat wirklich einen trockenen und ironischen Humor. Typisches Kleinstadtkino: Filmplakate auf vergilbten kahlen Wänden, plüschige, abgewetzte Sitze, muffige dicke Vorhänge. Aber zur Hebung meiner Laune unter diesen Umweltbedingungen war das genau das Richtige.

10. September Lysekil 

War heute in Kristinebeg und habe die Flasche Bier abgegeben. Die hätten mich ruhig zum Kaffee einladen können, aber was solls. Mehr als das Foyer hab ich nicht gesehen, aber es ist doch ein recht großes Ding, und natürlich traumhaft gelegen, gegenüber von Lysekil am Gullmarsfjord. Dauerregen den ganzen Tag, bis ich um halb 3 auf der Fähre gegangen bin. Wettervorhersage für morgen ist OK, erst viel, dann abflauender Wind aus NO. Morgen früh geht es über den Skagerrak rüber nach Skagen.

Im leeren Yachthafen von Skagen. Wie so oft in den letzten Wochen sind die verlassenen Stege voller Möwenkot.
Im leeren Yachthafen von Skagen. Wie so oft in den letzten Wochen sind die verlassenen Stege voller Möwenkot.

11. September Lysekil - Skagen 

Heute morgen um halb 8 losgefahren bei schwachem Wind, aber etwas Dünung aus NO. Die blöden Wetterfrösche vom DWD hatten 5 - 6 aus NO angesagt, aber es war zu wenig zum Segeln. Ich musste den Motor benutzen, bis etwa 10 sm vor Skagen, dann frischte der Wind auf gute 4 -5 auf, genau von achtern. Schwierig zu segeln, ständig schlägt das Vorsegel im Windschatten des Groß hin und her, extrem nervig. Vorsegel ausgebaumt, dann ging es einigermassen. Dann kreuzte ich die Schiffahrtsstraße um Skagen herum, und riesige Containerfrachter und Öltanker halten voll Speed auf den Nordausgang des Skagerrak zu. Mit ausgebaumtem Vorsegel bin ich schlecht manövrierfähig, nehme deshalb den Spinnakerbaum weg, und muss einem dicken Pott ausweichen, der volle Kanne auf mich zuhält. Ich gehe an den Wind und lasse den Frachter passieren, danach kommt aus entgegengesetzter Richtung der nächste Kollisionskandidat. Und so weiter. Einige nervige Seemeilen später versuche ich vorm Wind (bei nervigen 3 - 4 kn) die Untiefentonne Skagenrev-O zu finden, bin aber halbblind von der tiefstehenden Sonne, in die ich hineinfahre. Ich sehe voraus nichts und vertraue dem einprogrammierten GPS-Waypoint. Ich gehe kurzzeitig auf raumen Kurs nach SO, und der Speed geht direkt über 5 Kn. Erstaunlich wie langsam das Boot ist genau vor dem Wind. Irgentwann find ich die TonneYachth

Das "Vippefyr" von Skagen. Im 15. Jahrhundert eines der ersten permanenten Leuchtfeuer. In einem Eisenkorb wurden glühende Kohlen gehievt, immerhin 10 sm sichtbar.
Das "Vippefyr" von Skagen. Im 15. Jahrhundert eines der ersten permanenten Leuchtfeuer. In einem Eisenkorb wurden glühende Kohlen gehievt, immerhin 10 sm sichtbar.

Dann klingelt das Handy und Sabine ist dran und sagt, mach sofort das Radio an. Ich sage, ich versuche gerade die Ansteuerung nach Skagen zu finden, hab jetzt keinen Nerv auf Radiohören. Sie: Katastrophe, 2 voll besetzte Passagierflugzeuge stürzen in beide Türme des World Trage Center in NYC. Eine weiteres Flugzeug stürzt auf das Pentagon. Beide Türme des WTC stürzen ein und verwandeln das südliche Manhattan in ein Trümmerfeld. Eine größere Katastrophe kann man sich kaum ausmalen. Es können 10.000 Tote werden, evtl. mehr. Es passierte als ich mitten auf dem Skagerrak um etwas mehr Wind betete. Ich laufe sicher in Skagen ein und mache im leeren Gästehafen fest, werde von meiner Mutter Elke und Joe, dem Hund, empfangen. Ein warmes Ferienhaus mit richtigem Bett! Wir sitzen den Rest des Tages vor der Glotze und können kaum glauben was wir da sehen.

Eine Ostwetterlage mit Starkwind ist nicht was man sich wünscht, wenn man die jütländische Ostküste nach Süden will
Eine Ostwetterlage mit Starkwind ist nicht was man sich wünscht, wenn man die jütländische Ostküste nach Süden will

21. September Skagen - Sæby 

10 angenehme Tage im Ferienhaus mit Elke. Ich wollte eigentlich schon am Montag (17. September) los, aber es gab 6 - 7 Windstärken aus Ost, mit entsprechendem auflandigem Seegang. So ging es dann bis gestern. Heute mittag um 12 ist es dann endlich losgegangen. In der Hafenausfahrt Skagen Rodeoreiten, aber nachdem die Segel oben waren und der Kurs stand, war es OK. Das Wetter war insgesamt ziemlich grausam, grau, trüb, windig (O 5 - 6), regnerisch, kalt. Ich, vermummt im Cockpit. Kurz vor 6 gut in Sæby festgemacht. Zuerst am langen Gästesteg ganz innen, aber da waren leider die Stromanschlüsse schon abmontiert, so dass ich mir einen anderen Platz suchen musste. Jetzt liege ich in der Koje, gewärmt durch den elektrischen Heizlüfter, den ich zum erstenmal benutze. Keine Ahnung, warum ich den nicht eher angeworfen habe. Wenn im Hafen und mit Stromanschluss, super Sache. Und ich denke nicht, dass ich in diesem Jahr nochmal ankern werde, ausser falls in den nächsten 2 Wochen noch mal eine stabile Schönwetterperiode kommt, was ich irgentwie nicht glauben kann.

Seit einer Woche ist diese seltsame Wetterlage mit diesem ortsfesten Tief über Norddeutschland, mit Ostwind und schlechtem Wetter hier oben in Dänemark. Und es gedenkt auch zu bleiben, wenn man den Wetterfröschen Glauben schenken darf. Heute Nachmittag bin ich auf eine tiefschwarze Front zugefahren, die über dem Festland lag. Zum Glück hatte ich das bessere Wetter im Rücken, und das schwarze Wetter zog sich zurück. Eben war sogar Sternenhimmel zu sehen, aber jetzt wo ich im Bett liege, höre ich vereizelte, zaghafte Tröpfchen an mein Fenster klopfen. Wenigstens darauf ist Verlass in diesen Tagen. Ich benutze jetzt auch das elektrische Licht von Lucy, Petroleum ist out, das war was fü den Sommer. Batterie ist an Landstrom angeschlossen und wird permanent nachgeladen. Will morgen nach Hals, und dann übermorgen in einem langen Schlag nach Grenå, wenn´s denn geht. Vielleicht dort einen Ruhetag, Kattegat-Center, und ein wichtiges Etappenziel feiern.

Blick über den aufgewühlten Kattergat nach Frederikshavn
Blick über den aufgewühlten Kattergat nach Frederikshavn

22. September Sæby 

Heute Herbstanfang, offiziell, astronomisch. Meteorologisch ja schon seit Wochen. Aber hat heute Nacht nochmal was draufgelegt. Gestürmt, geregnet. Gischt spritzt über die Mole, Spiessrutenlaufen zum Duschen. Draussen weisse Gischt unter grauem Himmel. Richtig kalt ist es nicht, aber sehr ungemütlich. Ich wache um 20 vor 7 auf, zufällig rechtzeitig zum morgentlichen DWD Seewetterbericht. Höre, wie sie ihre Ost 4 - 5 Beaufort für das heutige Kattegat auf 5 - 6 korrigieren. Dabei beobachte ich Fischer, die an der Mole stehen, auf die schaumige See starren, miteinander reden. Zu ihren Booten gehen, mit Netzen hantieren, wieder zur Mole gehen, starren, diskutieren. Ich gehe wieder ins Bett, schlafe und träume, stehe erst um kurz nach 11 auf. Der Wind hat nicht nachgelassen, eher im Gegenteil. Dennoch beobachte ich ein Segelboot, das sich durch die Wellenberge zur Hafeneinfahrt kämpft. Ein schlankes, 7/8 geriggtes Boot, ca. 8 m, der Mast peitschenartig nach hinten getrimmt, metallisch hellbraum schimmernde Kevlarsegel, kein Motor. 3 Männer und eine Frau, sie am Ruder. Alle triefend nass. Segeln bis zum Steg unter Fock, dann hangeln sie sich die Pfähle entlang bis zum Liegeplatz. Sie kommen von Frederikshavn, hatten dort an einer Regatta teilgenommen, aber nicht gewonnen.

Nach einem Müsli-Pfirsich-Milchfrühstück (lecker) trotte ich durch den Ort. Teilweise sehr schön, aber unterm Strich doch eher langweilig. Kaufe mir neue Bettlaken, die alten werden langsam eklig. Warum habe ich sie in Skagen nicht mitgewaschen? Erwerbe auch eine Tageszeitung, mit Wetterinformationen. Es soll morgen um die 4 geben, übermorgen 5, und danach auf 3 abnehmen, immer aus NO. Das ähnelt den DWD-Trends fürs Kattegat, nur dass die 1 bis 2 Windstärken mehr voraussagen. Dann heute abend beim Italiener-Mexikaner essen gegangen. Chicken-Borrito. Nicht annähernd wie in New Mexico, kaum chicken und total überteuert, aber eine Stunde Depressionsbekämpfung in einem schönen Restaurant.

Liege jetzt in der Koje, draußen pfeift es immer noch, und ich hoffe es nimmt weiter ab heute nacht. In der Zeitung steht, dass gegen Mitte der Woche mit Nachtfrost zu rechnen ist. Naja, so lange die Ostsee nicht zufriert. Mit meinem Heizlüfter und den 2 Wolldecken bin ich ganz gut gewappnet. Das gute: tagsüber soll die Sonne scheinen, wenn es nachts bis auf 0 Grad runter geht.

Im Hafen von Hals. Die Sonne geht über dem Limfjord unter
Im Hafen von Hals. Die Sonne geht über dem Limfjord unter

23. September Hals 

Hab´s tatsächlich bis nach Hals geschafft. Heute morgen noch unsicher, ob fahren oder nicht, fast in die Hose geschissen. Dann dick eingepackt und nach dem 11 Uhr Wetterbericht losgefahren. Die Hafeneinfahrt hatte es in sich. LUCY sprang wie ein Wildpferd beim Rodeo auf den einrollenden Wellen. Der Aussenborder tauchte natürlich aus, ich sofort beide Segel hoch und auf Kurs. Dann ging es ganz gut und wurde immer besser. Bei halbem Wind, schätzungsweise 4 bis 5 und Sonnenschein ging es gut voran, im Schnitt mit 5 Knoten. Die Ansteuerung Limfjord war problemlos aber langwierig, bei zunehmend achterlichem Wind. Ich habe eine grüne Tonne anvisiert, weit genug von allen Untiefen entfernt; dort eine Q-Wende, und bei halbem Wind in den Tonnenstrich Limfjord. Was ich nicht wusste: Würde ich mit Strom zu tun kriegen? An der Westküste des Kattegat hat der NO-Wind, der seit Wochen vorherrscht, den Wasserstand ziemlich gesenkt. War also mit auslaufendem Strom aus dem Limfjord zu rechnen? Und wie stark würde der sein? Oder führte der Ostwind doch zu einem in den Limfjord einlaufendem Strom? Ich hatte keine Ahnung und war auf das drastischste vorbereitet. Was ich nun gar nicht erwartet hatte, trat ein: überhaupt kein Strom.

Mit halbem Wind bei 4 - 5 Windstärken lief ich den Tonnenstrich rein, mit 5 - 6 Knoten. Auf dem Flach nördlich des Tonnenstrichs brachen sich spektakulär die Wellen, man fährt wenige Meter dran vorbei. Je weiter ich nach innen kam, desto mehr nahm der Seegang ab, und LUCY lief wie auf Schienen ihre guten 6 Knoten. So hätte ich bei Westwind die ganze Strecke ab Skagen segeln können! Der Ostwind baut übers Kattegat doch ziemliche Seen auf, die 1.5 - 2 m betragen. So bin ich in Hals eingelaufen nach einem guten Segeltag. Ein schöner Liegeplatz, mit Blick nach Westen in den Limfjord hinein, und die Sonne ging tatsächlich dort unter. Morgen sollen es 6 Windstärken werden, und ich denke ich bleibe morgen hier. Es reizt mich doch, einfach in den Limfjord reinzufahren. Sah sehr verlockend aus in der Abendsonne. Könnte ja noch 2 Wochen im Limfjord verbringen, dann mit der Bahn nach hause fahren und das Boot mir dem Trailer holen. Naja, theoretisch ginge das ja, aber ich bin mir doch unsicher mit dem Trailer. Muss die Stützen anpassen, Löcher bohren. Werde mir den Limfjord für später aufheben, und jetzt erst mal weiter Richtung Süden nach Grenå und durch den kleinen Belt zurück in heimische Gefilde.

24. und 25. September Hals 

Starkwind aus Ost. Kein Weiterkommen. Hals ist ein eher tristes Nest, wenn man mal vom schönen Hafen absieht. Bus nach Ålborg angedacht, aber zu faul, geplant, falls es morgen nicht weitergeht. Guter Supermarkt, dort sogar das aktuelle Mopo, sowie Stern und Spiegel. Wetter trüb und windig. Abends immer in paar Sonnenstrahlen. Waschmaschine vorhanden, entscheide mich zur Großwäsche mit Bettzeug. Unmengen an 10 Kr.-Stücken reingeworfen, bei der Bettdecke streikt die Maschine, schleudert nicht. Also Bettdecke auswringen; bin auf 180. Auch einmal zuviel Geld in die Maschine geworfen, das Jüngelchen, das die Hafengebühren abkassiert, traut sich nicht, mir das wiederzugeben. Bettdecke nach 4 oder 5 Trockner-Durchgängen endlich trocken. Bin ziemlich durch den Wind.

Im verwaisten Hafen von Grenå
Im verwaisten Hafen von Grenå

26. September Hals - Grenå 

Morgens in Hals treffe ich einen Norweger aus Grimstad und ein englisches Pärchen, beide wollen auch nach Grenå, stehen das Wetter diskutierend am Kai. Mit dem Norweger verabrede ich ein Bier, wenn wir in Grenå sind. Allerdings ist das Wetter schlecht: noch ziemlich starker Wind aus Süd-Ost, und genau in dieser Richtung liegt bekanntlich Grenå. Ich will es trotzdem versuchen, notfalls mit Maschine gegenan. Dafür seien ihre Maschinen zu schwach, sagen die beiden. Der Norweger versucht es trotzdem, fährt kurz vor mir raus. Draussen ist es ziemlich heftig: hohe Wellen bei 5 Windstärken genau aus SO. Ich gehe mit Motor gegenan, zunächst mit Großsegelunterstützung, nehme es aber doch runter, da es anfängt gefährlich zu schlackern. Der Norweger segelt hart am Wind Richtung Ost, unsere Kurse trennen sich. LUCY hebt ab und fällt krachend in die Wellentäler. Ich kann trotz Wind und Wellen gegenan 4 bis 4.5 kn laufen, das reicht um anzukommen. Nicht die elegante Art, aber was solls, ich will nach hause. Wind und Seegang nehmen dann auch nach etwa der Hälfte der Strecke ab, dafür setzt an der Nordküste von Djursland ein einknotiger Gegenstrom. Das Ankommen zieht sich wie Kaugummi. Aber dann bin ich doch nach 10 h im Hafen, groggy. Trotzdem sofort los mit Einkaufswägelchen, Benzin nachtanken, Tankstelle 2 km entfernt. Danach nochmal mit dem Roller einkaufen gefahren. Der Hafen von Grenå, wie alle Häfen, die ich in den letzten 4 Wochen besucht habe, ist beinahe ausgestorben; hunderte von verwaisten Liegeplätzen, endlose Pfahlreihen ohne vertäute Boote, nackte Stege.

27. September Grenå - Tunø 

Musste heute morgen noch kurz vor dem Auslaufen doch noch Hafengeld bezahlen. Wäre ich eine halbe Stunde früher aufgestanden, hätte ich es gespart. Was solls! Wieder ein kompletter Motor-Tag, der Wind hatte passend zu meinem Kurs auf SW gedreht (in welcher Richtung liegt wohl Tunø?) . Fast die ganze Zeit begleitete mich ein 1 bis 1.5 kn Gegenstrom, so dass ich fast nie schneller als 4.5 Knoten laufen konnte. Und als Samsö näherkam, auf das ich mich so zu sehen gefreut hatte, senkte sich über allem eine bedrohliche hochnebelartige Bewölkung, und Samsø tauchte erst in 2 sm Entfernung aus dem Dunst auf. Zeitweilig bauten sich dunkle Wolkentürme in Fahrtrichtung auf, die bis an die Wasseroberfläche reichten. Atmosphärische Krächzer im Mittelwellenprogramm von DLF, ich sah schon Blitz und Donner über mich hereinbrechen. Aber es blieb dann beim Nebel, und ich erreichte sicher den total ausgestorbenen Hafen von Tunö. Wo sich im Sommer an die 150 Boote sich um Plätze balgen und im Päckchen liegen müssen, bin ich jetzt mit 4 anderen Booten allein. Netter Hafenmeister, überreicht mir eine große Broschüre mit allen möglichen Infos über die Segelhäfen von Jütland. Habe meine Planung etwas umgestellt in Anbetracht des zu erwartenden Gegentroms: kleinere Etappen. Morgen Juelsminde (tanken), dann Middelfart, Arösund, Sonderborg, Schleimünde, Kiel. Erwarte starken Gegenstrom in den Engen des Kleinen Belts. Solange ich irgentwie durchkomme.

Da hatte sich der Nebel schon halbwegs gelichtet
Da hatte sich der Nebel schon halbwegs gelichtet

28. September 10:30, Tunø

Nebel. Kann die andere Seite des Hafens nur erahnen. Noch keiner der anderen ausgelaufen. Soll ab Mittag sonnig werden. Ich muss allerspätestens um 12 los, um noch im hellen in Juelsminde zu sein. Ausweichhafen Kolby Kås im Süden von Samsø, knapp 10 sm. Juelsminde 26 sm. Dichter Nebel. Um 9 Uhr dachte ich schon, jetzt verzieht er sich, aber kurz danach wurde er wieder dichter. Oben teilweise blaue Flecken des Himmels zu sehen, und manch Sonnenstrahl verirrt sich auf die Erdoberfläche, aber horizontal ist die Sichtweite kaum 100 m. Ich muss mich sehr am Riemen reissen, um meine Moral aufrecht zu erhalten. Was kann noch kommen? Was hatte ich schon seit Skagen? Starkwind und hoher Seegang, Wind und Strömung gegenan, Regen, Kälte, jetzt Nebel. Gewitter fehlt vielleicht noch (im Wetterbericht sind neben Nebel tatsächlich Gewitterböen angesagt). Ich bin sehr frustriert. Ich will endlich nach hause. Ich muss aber geduldig sein. Kann doch nicht bei diesem Nebel losfahren. Seh ich doch nix. Und auf einmal taucht 100 m entfernt die riesige Bordwand einer Fähre auf, die auf mich zuhält. Na Prost Mahlzeit.

18:45, Juelsminde 

Nun ist es passiert, was ich all die Wochen befürchtet habe: der Motor hat sich verabschiedet. Südlich von Endelave, Motor stirbt ab. Springt sofort wieder an, geht sofort wieder aus. Mehrere Versuche, kein Erfolg. Ich also Segel hoch, erstmal Lage sondieren, WSW 4, eigentlich guter Segelwind, aber wohin will ich wohl? WSW. Also kreuzen. Wird es reichen bis Juelsminde oder soll ich doch besser raumschots zurück nach Kolby Kås / Samsø? Klar ist, dass ich Juelsminde nicht direkt aniegen kann. Ich gehe zunächst für 20 Minuten auf SO-Kurs, um von Endelave freizukommen, dann gehe ich hart an den Wind nach Westen. Ich kann gerade so an der SW-Ecke von Endelave vorbei, liege die Untiefentonne nördlich der Bucht von Juelsminde an. Dann muss ich noch für 15 Minuten nach SO ausholen, um in die Bucht reinsegeln zu können. Der Wind ist bei alledem sehr gnädig, zunächst gute 4, in der Bucht dann etwas abnehmend. Ich kann wunderbar dicht ans Ufer heransegeln, östlich des Fähranlegers; dann das Groß runter und unter Genua in die Hafeneinfahrt rein. Zum Glück ist eine freie Box direkt an der Stirnseite des Stegs frei, und ich kann wunderbar da reintreiben, perfekt. Ich bin sehr glücklich, es unter diesen Bedingungen bis Juelsminde in den Hafen geschafft zu haben. Habe mir unterwegs schon ausgemalt, irgentwo ungeschützt, etwa westlich von Endelave, ankern zu müssen. Was für eine Vorstellung. Was ist nun mit dem Motor? Er hatte heute morgen (und gestern auch einmal) einen Moment, wo er nachliess, d.h. die Drehzahl ging leicht zurück. Ich machte ihn dann aus, checkte die Schraube, die war OK, danach lief er wieder einwandfrei. Aber dann... evtl. irgentwas in der Treibstoffzufuhr. Ich werde mir morgen als erstes die Treibstoffleitung ansehen und besonders sie Benzinfilter. Versuchen, sie sauber zu machen, evtl. Vergaser checken. Hier gibt es zur Not eine Werft mit Werkstatt, das ist sehr beruhigend. Jetzt regnet es, hoffentlich ist es morgen trocken.

29. September Juelsminde 

Scheint, als sei hier die Reise fürs erste zuende. Von der Werft keine Hilfe zu erwarten, und weit und breit gibt es keinerlei Motorwerkstätten. "Bogense", empfahl der teilnahmslose Typ im Marine Shop, oder an der Tankstelle. Den ganzen Vormittag stürmisch bei Dauerregen, ich wäre eh nicht gefahren. Bei Sprühregen das Zeltdach aufbauen, Motor abnehmen und im halbwegs trockenen inspizieren. Das erste Problem: das Vorhängeschloss am Motor war festkorridiert. Mit Caramba gängig gemacht. Motorabdeckung aufgemacht, Benzinschläuche und Filter gecheckt auf Durchgang, dort offensichtlich kein Problem. Konferenzschaltung mit Winni, er tippt auf Vergaser oder Benzinzuführungen vom Tank. Das habe ich gecheckt, ging. Vorsichtshalber beide Benzinfilter ausgewechselt, kein Resultat. Letzte Option vor Komplettzerlegung: Zündkerzen. Ausgebaut, saubergemacht, wieder eingebaut, Motor läuft, nimmt Gas an. Ein Wunder. Habe jetzt nur 1 neue Zündkerze, brauche dringend eine zweite. Also lag es an den Zündkerzen? Man kann es schon verstehen, wenn man bedenkt was für Belastungen da anliegen, und sie sind jetzt in der 2. Saison drin und wurden in dieser Saison besonders beansprucht. 

Also: mein Plan ist jetzt trotzdem (Wetterbesserung nicht in Sicht, und ich moralisch am Ende) folgendermassen: Morgen mit dem Zug nach hause. Dann mit dem Auto nach Juelsminde, Motor holen, zur großen Inspektion bringen, vielleicht schon Mast legen. Dann am zusammen mit den Juelsmindern kranen, und auf den Trailer. Boot dann entweder hier winterlagern oder mit Trailer nach hause holen. Das Boot kann ich solange hier liegen lassen, zum halben normalen Preis. Ich komme nächste Woche in jedem Fall mit dem Auto, und hole den Motor und Werkzeug für Trailerumbauten (und evtl. das Dinghi). Dann muss ich Details zum Mastlegen und Krantermin erfragen. Dann gehts morgen tatsächlich nach hause. Ich denke, das ist eine vernünftige Entscheidung, denn eine längerfristige Wetterberuhigung ist nicht zu erwarten. Und ich bräuchte von hier nach Büsum bei idealen Bedingungen 7 bis 9 Tage; und das ohne Zwischenstopp. Realistisch also noch 2 Wochen. Und dann ist es Mitte Oktober, und dann kann ich das Boot auch hier rausholen. Vielleicht kann LUCY ja hier über den Winter parken, im Frühjahr dann bei besserem Wetter runtersegeln; oder halt doch auf dem Trailer mitnehmen. Mal sehen.

Segel eingepackt. Trauriges Ende einer langen Reise. Beim umparken lief der Motor reibungslos, als wollte er sagen, guck, ich funktioniere doch, lass uns doch weiterfahren! Und LUCY nickt dazu. Wie einem ein kaltes Stück Technik, ein toter Kunststoffrumpf mit Alumast doch ans Herz wachsen kann. LUCY war nun mal 73 Tage und Nächte meine Heimat, Tisch und Bett, die Gefährtin meiner Segelabenteuer. Es macht mich schon traurig, dass die Reise so enden muss. Aber in Anbetracht der wirklich fürchterlichen Wetters und der ungeklärten Motorsituation, ist es, denke ich, das beste. Und LUCY wird es schon verstehen. Sie kommt jetzt ins Winterlager und kann sich auf die nächste Saison freuen. In diesem Jahr hatte sie warscheinlich so viel Auslauf wie noch nie in ihrem Leben.

Epilog

Ich fuhr also mit dem Zug nach hause. Das Wetter blieb schlecht, Starkwind aus SW und Regen, was ich mit Genugtuung von meinem Schlafzimmerfenster aus registrierte. Ich hätte mehrere Tage in Juelsminde festgelegen. Die Entscheidung war also richtig. Etwa 1 Woche später fuhr ich mit dem Auto nach Juelsminde, legte den Mast und holte das Dingi. Mit dem Mastenkran und einem hilfsbereiten Dänen war das Mastlegen schnell erledigt. Am 13. Oktober war dann Krantermin. Ich mietete mir einen Mercedes Sprinter TDI mit Anhängerkupplung, und fuhr mit dem Trailer nach Juelsminde. Nachdem ich die schwersten Sachen von LUCY runtergeräumt hatte, war ich irgentwann mit Kranen dran, und LUCY wurde routiniert auf den Trailer gehoben. 

Nach 2 Versuchen war das Boot so positioniert, dass die Stützlast etwa 120 kg betrug, dabei beliess ich es dann. Ich brauchte weitere 2 Stunden, um LUCY zu vergurten und die Stützen der neuen Position anzupassen. Irgentwann ging es los, und ich war überrascht, wie problemlos das Fahren mit dem Boot hintendrauf war. Kein Schlingern, kein Aufschaukeln. 80-100 km/h waren problemlos drin, und kurz nach 9 war ich in der Halle in Wesselburen. Das Boot nach hause zu holen, kostete mich ca. 460 DM (118 Kranen, 340 Leihwagen inkl. Sprit). Wenn ich LUCY auf dem Wasserweg nach Büsum gebracht hätte, hätte ich mindestens 7 Tage gebraucht, was mich auch nicht viel billiger gekommen wäre. Die 2 Wochen in Juelsminde zahlte ich keine Liegegebühren, denn es war niemand da, der welche abkassieren wollte, auch nicht auf Nachfragen.