Die Dänische Südsee, oder das Südfünische Inselmeer, wie die Dänen selbst sagen, ist sicher eines der attraktivsten Segelreviere Nordeuropas. Landschaftlich geprägt durch eiszeitliche Grundmoränen, die eine sanfte Hügellandschaft mit wogenden Weizenfeldern und vielen Inseln entstehen liessen, kann man hier Weite atmen und findet dennoch schnell Schutz bei den zahlreichen Inseln und Buchten im Süden Fünens. Durch die Nähe zu Deutschland ist die Gegend in den Sommermonaten überlaufen, und man hat in fast allen Häfen Probleme, nachmittags noch einen Liegeplatz zu ergattern. Aber es gibt unzählige geschützte Ankerplätze. Dennoch sollte man auf jeden Fall einplanen, Fåborg und vor allem Ærøskøbing zu besuchen. Alles in allem ein schnell zu erreichendes, unkompliziertes Revier, das auch ohne weiteres von kleinen Booten befahren werden kann. Die An- bzw Rückreise über den kleinen Belt oder die Kieler Bucht kann einem jedoch unter Umständen das Gefühl von großer Seefahrt vermitteln.
Tag 1
Büsum - Tönning
Der erste Tag. Alles nach Plan gelaufen. Morgens ca. 1h nach Sonnenaufgang abgelegt. Gut, dass ich nicht nachmittags erst los bin, es hat doch sehr lange gedauert: ich war insgesamt 9h 21 min unterwegs, für 30.5 sm. Das ist natürlich ein schwacher Schnitt, aber ich musste bis zur Tonne Eider 9 gegen den Tidenstrom, teilweise nur 2 kn durchs Wasser gemacht. Außerdem musste ich am Eider-Sperrwerk warten und in der inneren Eider ebenfalls gegenan.
So sitze ich nun hier im Tönninger Hafen und beobachte die in der Sonne blitzende braune Brühe, wie sie aus dem Hafenbecken abfliesst. Ich hatte Glück mit dem Liegeplatz, direkt an einem der neuen Schwimmstege. Auch nicht teuer, 10 Mark. Tönning ist schön. Auf dem Marktplatz findet ein Hexenmarkt statt, ein mittelalterlicher Markt mit Gauklern, Handwerkern, und allerlei mittelalterlichem Flair. Alle sind originalgetreu angezogen, und reden auch meist so. Ich habe ein halbes Zwiebelbrot erstanden, noch heiss aus dem Steinofen, aber der Wegelagerer wollte 7 (!) "Silberlinge" für das Stück Krustenbrot. Aber es schmeckt einfach super!
Jetzt sitze ich hier im Cockpit in der Sonne und kann mein Glück kaum fassen. Es ist wirklich wahr. Worauf ich monatelang hingefiebert habe - es passiert hier und jetzt! Alle Veränderungen, die ich am Boot vorgenommen habe, haben sich top-bewährt. Besonders, dass ich jetzt die Segel aus dem Cockpit setzen und bergen kann, ist eine große Erleichterung. Kein Problem die Segel bis vor eine enge Einfahrt (z. B. Tönning) stehen zu lassen; einfach kurz in den Wind, Fallen los, Bergeleinen holen, zack ist alles unten, das dauert ein paar Sekunden. Bin schwer begeistert. Auch der Motor verdient höchstes Lob, läuft sauber und zuverlässig. Auch das doppelte Vorstag hat sich zu 100% bewährt.
Morgen früh gehts weiter die Eider hoch, will versuchen den Gieselau-Kanal zu erreichen. Problematisch könnte die Ausfahrt aus dem Tönninger Hafen werden, bei Niedrigwasser, der Hafen fällt teilweise trocken. Niedrigwasser ist offiziell um 8:18, und die Alteingesessenen sagen, vor 10:20 soll ichs gar nicht erst versuchen.
Na wenn schon! 19:50 GUSTAV sitzt fest im Schlick!
Tag 2
Tönning - Eider nördl. Schleuse Lexfähre
Das geht ja tierisch ab! Die Eider hoch bei auflaufendem Wasser mit 6.5 kn über Grund! Die Landschaft fliegt nur so an mir vorüber.
20:50 Uhr, sicher am Eiderufer geankert, etwa 2 km nördlich von Lexfähre. Ein dramatischer pastellblauer Himmel, teilweise von grau-gelben Wolken verziert. Wunderschön.
Ein sehr schöner Tag. Die Eider ist wirklich und wahrhaftig ein idyllischer Fluss, wenn man diesen Ausdruck mal gebrauchen darf. Keine Probleme, auch der Sprit sollte noch reichen bis Kiel. Ich habe hier einen sehr schönen Ankerplatz gefunden - was heisst gefunden - hier kann man überall rechts oder links dicht bis ans Ufer ranfahren und ankern. Heute nachmittag war es doch etwas kühl bei bedecktem Himmel und 17 °C, aber wenn die Sonne mal durch die Wolken lugte, wurde es auch sofort heiss. Der Wetterbericht ist ausgesprochen gut. Der Wind soll in den nächsten Tagen auf NO-O drehen, d.h. Wärme, Ostwind, und nicht zuviel davon. Vielleicht bekomme ich ja Bedingungen wie im letzten Jahr auf meiner Schlei-Fahrt! Allerdings ist es hier und jetzt kalt - 13 °C, Ende Juli und um halb 10 abends
Tag 3
Nördl. Lexfähre/Eider - Kiel Holtenau
Kurz vor Rendsburg wird es langsam wärmer, und die Sonne zeigt sich öfter. Trotzdem ist es mit 16°C noch sehr kühl, langsam macht sich der Ostsee-Einfluss bemerkbar. Das Ufer des Nord-Ostsee-Kanals steigt sanft und hügelig an, es ist jetzt mehr Landschaft zu sehen als vorher. Apfelplantagen verbreiten fast etwas südlichen Flair, wenn die Temperatur nicht wäre.
Erstaunlich! Ich sitze hier gemütlich im Cockpit und geniesse den Abend in vollen Zügen. Die Tortellini sind am Kochen, und ich bin im T-Shirt, wo ich vor 2 h noch mit 2 Pullovern und Regenjacke gefroren habe. Die Sonne ist sehr warm, wenn kein Wind geht. Ein wirklich schöner Liegeplatz, ganz am Ende des Steges der Yachthafens Holtenau. Morgen will ich ganz früh raus, Benzin bunkern, dann in die Flensburger Förde. Für morgen sind NO 3-4 vorausgesagt, das sollte zu machen sein. Gleich mal im Detail den DLF abhören.
Habe leider eben einen Fehlkauf getätigt: um die Wantenspanner vor der Genuaschot zu schützen, bzw. umgekehrt, habe ich Schläuche gekauft, die ich zuschneiden und um die Wantenspanner tun wollte; aber ich habe sie innen zu dünn gekauft, was mich jetzt nötigt, sie seitlich aufzuschlitzen und mit Tape zu sichern. Provisorium, sieht aber OK aus. Morgen wird sich zeigen ob es denn funktioniert.
Der Seewetterbericht vom DLF sagt NO 4-5 voraus, das ist zwar hart gegenan, aber immerhin besser als Nord. Ausserdem soll sich die angekündigte Ostwetterlage tatsächlich einstellen. Und das bedeutet stabiles Hochdruckwetter, genau das was ich haben will!
Der Mond scheint voll auf mich und die Welt herab, obwohl laut Kalender morgen erst Vollmond ist. Es ist schön hier in der Ostsee - und das Wasser: klar bis auf den Grund. Jede Menge bodenlebende Kreaturen gibt es zu beobachten, filtrierende Muscheln, beute-harrende Krabben, und das alles auf dem 3m tiefen Grund der Förde. Glasklares Wasser. Nur dumm, dass ich GUSTAV genau unter der Laterne geparkt habe. Eine helle Nacht steht mir bevor. Und die Seevögel machen einen Höllenlärm!
Tag 4
Kiel Holtenau - Wörmshöfer Noor/Schlei
Bei schwachen noröstlichen Winden fast die komplette Strecke gemotort, dann kurz vor 7 glücklich im Wormshöfer Noor (Ostufer) geankert.
Tag 5
Wormshöfer Noor - Hørup Hav
Da "segele" ich nun bei 2 Windstärken, es geht kaum voran, die Segel schlagen hin und her - das nervt etwas. Das erwartete stabile Hochdruckgebiet hat sich tatsächlich eingestellt. Und es soll bei Ostwind noch wärmer werden. Das ist natürlich fürs Baden und das allgemeine Befinden super, aber zum Segeln eher negativ, da wenig Wind. GUSTAV kommt erst ab 3 Bft in die Gänge, darunter ist tote Hose. Liegt wohl an der eher unterproportionierten Segelfläche und natürlich an den alten ausgelutschten Segeln. Liefere mir gerade mit einem hölländischen Plattboden-Schiff bei 2 kn ein Elefantenrennen.
Habe jetzt die Genua ausgebaumt und die Bullentalje fürs Groß eingefädelt. Geht zwar nicht schneller, klappert aber jetzt nicht mehr so!
Erneut Genua geborgen, ab jetzt wird gemotort, tut mit schrecklich leid. Ich will in die Hørup Hav Bucht, ankern, baden, schnorcheln, lesen, so was halt!
Komme gerade aus dem Wasser! Habe an einem super-Platz im inneren Teil des Hørup Hav geankert, Grund Sand mit Seegrasfeldern. Anker schnorchelnderweise auf Halt geprüft, alles im Lot. Kristallklares Wasser, viele Ohrenquallen. Beide Kiele und Ruder sind stark mit Seepocken bewachsen, werde ich morgen in Ruhe beseitigen und den Rumpf saubermachen.
Habe heute das Gefühl, dass dies der erste echte Urlaubstag ist. Morge werde ich hierbleiben, lesen, schwimmen, schnorcheln, abhängen, Musik hören, aufs Wasser starren. Laut Wetterbericht bleibt das Wetter so, es wird eher noch wärmer! Es scheint so, wer immer das Wetter macht, er meint es gut mit mir!
Tag 6
Hørup Hav
Anker- und Ruhetag. Habe mir in der Sonne einen tierischen Sonnenbrand auf den Beinen geholt, aber das gehört ja wohl dazu. 2x ums Schiff rumgeschnorchelt, die Balaniden mittels Eiskratzer von Kielen und Ruder, den Algenbelag vom Rumpf mit einem Schwamm entfernt. Jetzt wieder glatt wie ein Babypopo.
Es ist traumhaft schön hier, und das Wetter ist entsprechend. Nicht ganz so heiss wie vor 2 Jahren in der Schlei, aber so dass man tagsüber auf Klamotten verzichten kann. Abends, wenn die Sonne weg ist, ist jedoch ein Sweater angesagt. Ich habe mehrere Feuerquallen gesichtet, aber das Verhältnis zu den harmlosen Ohrenquallen ist immer nich 1:100. Von denen gibt es in diesem Jahr extrem viele. Im offenen Ostseewasser gibt es eine Blaualgen-Blüte, ist sogar eben im Radio gekommen. Beim Rumpfsäubern hab ich immer ängstlich nach Feuerquallen Ausschau gehalten, bin aber Gottseidank keiner in die Fänge geraten. Kann gut drauf verzichten, genesselt zu werden.
Morgen geht´s erst mal in den Hafen von Høruphav, Müllentsorgung, sowie Aufstockung der Vorräte, Wasser, frisches Ost, Gemüse, Fisch/Fleisch, Wein, Benzin. Einen gepflegten Hot-Dog gedenke ich auch zu mir zu nehmen bei meinerm ersten Kontakt mit dänischem Boden. Will mir auch die Beine etwas vertreten. Mehr als 2 h will ich aber nicht bleiben, will weiter nach Norden durch den Als Sund in den Augustenborg-Fjord, da gibt es viele schöne Ankerplätze, zumindest auf der Seekarte. Das Wetter soll bis mindestens Mitte nächster Woche so bleiben, also eher Anker-Bade-Abhänge-Wetter als Segelwetter.
Tag 7
Hørup Hav - Augustenborg-Fjord vor Sebbelev
Ein Super-Segeltag, kaum gemotort! Der Wind hatte gut 4 Bft, und ich konnte gut 5.5 kn laufen. Im Hørup Hav kurz angelegt, guten Supermarkt gefunden. Leider war da aber nur eine automatische Tankstelle, mit Minimum-Abnahme für 50 kr; in meine Kanister ging aber höchstens Benzin für 35 kr rein! Hab es also gelassen, es sollte aber auch noch reichen. Dann bei sehr schönem achterlichem bis halbem Wind den Als-Sund hochgesegelt. Dann im Augustenborg-Fjord musste ich gegenan kreuzen, das ging wunderbar. Die von mir aufgrund der Seekarte auserkorenen Ankerbuchten stellten sich dann aber als entweder mir Stellnetzten vollgestellt, oder von Yachten vollgeankert heraus. So hab ich mich dann an das Waldufer vor Sebbelev gepflanzt. Der Anker liegt auf 4 m, ohne dass ich weiß in welchem Grund. Ins Wasser gehe ich nicht, denn man kann fast drüberlaufen vor Quallen, wovon viele Feuerquallen sind. Der Anker sollte aber bei diesem Wetter auf jeden Fall halten, keine Frage. Direkt am Ufer, keine 50m von mir entfernt, sind 2 kleine skandinavische Holzhäuser, mit kleiner Badeplattform direkt am Ufer. Die Skandinavier machen das irgentwie schön. Darf gar nicht dran danken, wie das in Deutschland aussähe, wäre vielleicht so gar nicht erlaubt. Sieht etwas aus wie schwedische Holzhäuser in den Schären. Auch Sønderborg, wo ich eine kurze Pause wegen der Klappbrücke einlegen musste, macht einen guten Eindruck.
Ich ankere hier vor einer offenen Küste, ohne Schutz vor westlichen Winden. Es soll aber so bleiben, dann ist alles OK. Mal sehen wie es morgen aussieht, vielleicht rüber in die Dyvig. Von hier aus hat man einen phantastischen Blick über den Augustenborg-Fjord.
Tag 8
Augustenborg-Fjord vor Sebbelev - Dyvig
Nach super-Segeln bei achterlichen 4-5 Bft mit ausgebaumter Genua in der Dyvig-Bucht, dort geankert. Direkt hinter der Einfahrt, am Südufer. Gerappelt voll ist die Bucht, aber so wie man sich die ideale Ankerbucht vorstellt: durch eine enge Durchfahrt zu erreichen, sonst komplett geschlossen, das Südufer sanft ansteigend mit wogenden Weizenfeldern, das Nordufer steil und von dunklen Wäldern gesäumt. Zwei Anlegestellen, wobei die südliche eigentlich ein richtiger Hafen ist. Hier ist auch die Heimat der sehr schönen Nordborg-Yachten. Im Süden schliesst sich eine zweite Bucht an, die Mjels Vig. Sie ist in der Mitte untief, weshalb es hier enger ist als in der Dyvig. Auch hier im Scheitel der Bucht ein Anleger.
Kaum zu glauben - ich bin nun schon den 8. Tag unterwegs. Kommt mir vor als ob es ewig so weitergehen könnte. Nicht dran denken. Bisher problemloses Segeln und alles. Liegt wahrscheinlich am Wetter, da kann man nicht viel falsch machen. Bin inzwischen mit GUSTAV auch schon ganz gut eingespielt. Morgen wohl noch ein Ankertag, oder ich verhole in den Hafen und guck mir die Gegend etwas an (vielleicht eine Fahrrad mieten).
Morgen geht´s erst mal in den Hafen von Høruphav, Müllentsorgung, sowie Aufstockung der Vorräte, Wasser, frisches Ost, Gemüse, Fisch/Fleisch, Wein, Benzin. Einen gepflegten Hot-Dog gedenke ich auch zu mir zu nehmen bei meinerm ersten Kontakt mit dänischem Boden. Will mir auch die Beine etwas vertreten. Mehr als 2 h will ich aber nicht bleiben, will weiter nach Norden durch den Als Sund in den Augustenborg-Fjord, da gibt es viele schöne Ankerplätze, zumindest auf der Seekarte. Das Wetter soll bis mindestens Mitte nächster Woche so bleiben, also eher Anker-Bade-Abhänge-Wetter als Segelwetter.
Tag 9
Dyvig - Anker - Hafen
Frühstück ohne Radio - ganz was neues! Werde gleich in den Hafen umparken, um die Batterie zu laden. Meine derzeitige provisorische Planung in Anbetracht der vorherrschenden östlichen Windrichtung: Årø statt Helnæs. Mal sehen.
Habe im Hafen sofort einen freien Platz gefunden, jedoch abends "zugeparkt" worden von einer 36er; auch um mich herum nur riesige Schiffe. In allen Häfen bin ich das mit Abstand kleinste Schiff. Bei 7m geht es erst los, GUSTAV misst gerade mal 5.49 Meter. Man kommt sich unter all den Dickschiffen immer etwas deplaziert vor; alle gucken auf einen runter und in die Kajüte rein, man befindet sich gewissermassen auf der untersten Etage. Das ist nicht sehr angenehm, ich werde ankern, wo immer es geht.
Heute mittag bin ich zu Fuß losgestiefelt, die Gegend erkunden. Ich wollte an die Nordspitze von Als und den Kleinen Belt überblicken. Allerdings - es hat sich zum Gepäckmarsch entwickelt. Nach 3 Stunden bin ich mit brennenden Schuhsohlen wieder zum Boot zurück gekehrt. Espandrillos sind doch nicht die idealen Wanderschuhe. In Nordborg habe ich ein kühles Bier getrunken.
Tag 10
Dyvig - Vigø/Helnæs-Bugt
Geschafft! Nach teilweise doch heftigem Gegenansegeln bei 5-6 Bft bin ich nun glücklich in der Helnæs-Bugt angekommen und habe vor der Insel Vigø geankert. Hier ist es absolut traumhaft, komme mir fast vor wie in einer Südsee-Lagune. Die Helnæs-Bugt ist durch die Landzunge Helnæs im Süden und den beiden Inseln Illum und Vigø im Süden geschützt, aber riesig in seinen Dimensionen. Ich kann im Dunst das südliche Ufer gerde so erkennen. Man findet bei jedem Wind ein schützendes Ufer, vor dem man ankern kann.
Draussen hatten sich schon ziemliche Wellen aufgebaut, und der Wind hat aus Südost gedreht. Zunächst bin ich nach NO gesegelt, fast N, hart gegenan. Dann ging es immer östlicher, der Wind hatte auf SO gedreht. Ein phantastischer Ankerplatz. Diese Weite! Morgen bleibe ich hier, vielleicht auch übermorgen. Das Wetter ist schön, wenn auch etwas diesig.
Tag 11
Vigø/Helnæs-Bugt
Und wieder so ein Tag, an dem es absolut nichts zu tun gibt außer essen, lesen, schlafen, schwimmen, schnorcheln, und was sonst eben so getan werden muss. Habe mich heute morgen kurz über die Ankerlaterne geärgert, die ist wirklich Schrott. Gestern abend in den Mast gehängt, Reservoir aufgefüllt, Flamme so eingestellt dass sie nicht rußt - das geht nur bei kleinster Flamme - trotzdem war sie heute morgen komplett eingerußt. Innen ein perfekter schwarzer Körper, physikalisch gesprochen. So "schön" sie auch aussehen mag in ihrem nostalischen nautischen Messingdesign, eine Fehlkonstruktion ist sie, 140 Mark teuer. Im Gegensatz dazu hat meine 20-Marks-Petroleumleuchte die ganze Nacht durchgehalten.
Die Stille, die Sonne, der Schatten, die kreischenden Seevögel, das leise Summen des Windes im Rigg, das ist sehr erholsam. Das Wetter ist wie in den letzten Tagen, allerdings sollen von Südwesten langsam Gewitter aufkommen, die bald auch den Bereich Belte/Sund erreichen sollen.
O-Ha! Jetzt weiss ich warum es seit gestern so nach Benzin stinkt. Die Verbindung Tank-Schlauch ist undicht, das muss ich mir morgen in Fåborg genau angucken, dort habe ich ggf. Zugriff auf Ersatzteile. Am Himmel zeigen ich im Westen schon erste Schäfchenwolken, ob das schon das Ende der Schönwetterperiode ist? Eben ist ein anderer Einhänder angekommen (mit einer Dehler 25 o.ä.). Er versucht seit einer halben Stunde ein befriedigendes Ankermanöver zu fahren. Anker fallen lassen, voll rückwärts, Anker hoch, nächste Stelle, Anker runter, voll rückwärts etc., so geht das seit einer halben Stunde. Ich weiss nicht, entweder hat der arme Kerl kein Vertrauen in sein Ankergeschirr (vielleicht zu Recht), oder er gibt zu viel Gas nach achtern.
Tag 12
Vigø/ Helnæs-Bugt - Lyø Trille - Lyø Havn
Wetter wie in den letzten Tagen, wolkenloser Himmel, Wind um 4 aus Ost, klare Sicht. Ich gleite sanft auf den südlichen Ausgang der Helnaes-Bugt zu. Im Süden aufkommende diesige Bewölkung. Habe jetzt geankert südlich der Nordwest-Spitze von Lyø (Lyø Trille). Schöner, halbwegs geschützter Platz, Sandboden mit Mytilus-Bänken auf ca. 1.80m. Sieht so aus als gäb´s heute abend selbstgepflückte Muscheln!
Es zieht sich jetzt doch langsam zu, heute abend besteht jedenfalls keine Sonnenbrandgefahr, deshalb bleibt die Plane auch unten. Das Wolkenbild lässt nur einen Schluss zu: es gibt schlechtes Wetter. Bisher kann sich, getrübt zwar, die Sonne noch behaupten, und warm isses sowieso. Ich hoffe die Nacht bleibt ruhig, dann fahre ich morgen früh rüber nach Fåborg.
Nun ist es kurz nach 6 und es wird doch etwas ungemütlich, eine wilde Schaukelei, trüber Himmel... spätestens um 7 fällt die Entscheidung. Hierbleiben oder Lyø Havn oder Fåborg oder Dryeborg...
Nun bin ich doch in den geschützten winzigen Hafen von Lyø geflüchtet. Eine ruhige Nacht ist ja auch was wert. Habe zunächst längsseite an der Kaimauer gelegen, an einer gelben Merkierung, Fischerplatz, die gesamte Pier voller halbvertrockneter Fischreste, vergammelter Tang- und Netzreste, Ringwaden, faulender Krebse. 10 Milliarden Fliegen, es stinkt erbärmlich. Bin dann nach hinten ins flache gegangen, den letzten Platz ergattert auf gerade mal 1m Wassertiefe. Genau das richtige für den flachgehenden GUSTAV. Der Wind hat merklich aufgefrischt.
Tag 13
Lyø Havn - Fåborg
Der Wind hat über Nacht gedreht, aber ohne Radau. Den haben heute Nacht eher meine Stegnachbarn gemacht. Laut krakelend und angebend von Cockpit zu Cockpit. Lautstark brüstet man sich seemännischer Großtaten, auf den "Sturm in der Bornholmsee" wird mit der "Gewitterbö vor Samsö" geantwortet. Und dann das "place-dropping", alle aber auch wirklich alle Plätze, an denen sie mit dem Boot jemals waren, müssen genannt werden, das geht dann Schlag auf Schlag, auf "Sylt" wird mit "Norderney" gekontert, auf "Anholt" folgt "Bornholm", so geht das die halbe Nacht. Naja, man erlebt halt was und will es auch erzählen. Aber in der Lautstärke mitten in der Nacht? Mein Stoßgebet für ein reinigendes Gewitter, was die wagemutigen Seefahrer innenbords vertrieben hätte, wurde nicht erhört.
Die Luft hat merklich abgekühlt, der Wind geht leicht aus Südwest und es ist etwas diesig. Gleich werde ich ablegen und nach Fåborg fahren, Großstadtprogramm einlegen. Hier im Hafen von Lyø gibt es schätzungsweise 80% Deutsche, 15% Dänen, der Rest Holländer. Könnte um diese Jahreszeit repräsentativ für das Seegebiet sein. Sollte mir ein Fahrrad mieten und die Insel erkunden - habe aber keinen Verleih gesehen.
Bin jetzt in Fåborg angekommen. Liege nicht in der Marina sondern im alten Fischerhafen, der sehr groß ist und hat reichlich Platz für Yachten aller Größen. Ich bin im hinteren Teil untergekommen, da wo die kleinen Fischerkähne liegen, so etwa in GUSTAV´s Größe. Endlich mal niemand, der auf mich herabblickt. Eine sehr schöne, betriebsame Atmosphäre. Dennoch habe ich gemischte Gefühle, denn gegenüber am Steg "feiert" eine Horde glatzköpfiger Jugendliche mit krasser Terrormusik in einer Lautstärke, dass man sich auf Avernako noch fragen muss ob da nicht gerade ein Jumbojet zur Notlandung ansetzt. Ich hoffe sie gehen bald, sonst muss ich mich doch noch verlegen.
Fåborg ist meine erste Berührung mit einer dänischen Altstadt mit ihren verwinkelten Gassen und den geduckten, in Pastellfarben gestrichenen Fachwerkhäusern, gelb, blau, orange, rosa, schief und schräg, als wollten sie gleich umkippen. Mannshohe Blumen schmücken die Fassaden, in den Fenstern buntes Glas.
Tag 14
Fåborg - Drejø Bro
So, das war´s dann wohl entgültig mit dem Wetter. Seit 2-3 Tagen ist es ja schon schwül und gewittrig, will aber noch nicht so richtig aus sich rauskommen. Heute abend aber deutet alles darauf hin, dass es bald losgeht. Deshalb bin ich wieder im Hafen. Ich bin von Fåborg aus die ganze Strecke gemotort, bei einem leisen Hauch von Wind. Wollte zunächst nach Hjortø, ein winziger Hafen, voll belegt von 100% Dänen, die ihre Bastion auch verteidigen wollten, jedenfalls wurde mir unmissverständlich mitgeteilt, dass hier kein Platz mehr für mich sei. Der letzte freie Platz war für das Postboot reserviert, und längsseits wollte ich dann auch nicht und die innerdänische Harmonie zerstören. Bin dann durchgestartet nach Drejø Bro, ein guter Hafen, und ein guter Liegeplatz. Hilfsbereite Landsleute, die mich in die freie Parkbucht reinlotsten.
Wind und Bewölkung nehmen bedrohlich zu, diesmal sieht es tatsächlich nach dem seit Tagen angekündigten Gewitter aus. Soll es doch kommen, ich bin gewappnet. Wo jetzt im Westen die tiefstehende Sonne alles in orangefarbenes Licht tauchen sollte, steht eine schwarze Wand. Noch 3 Tage gebe ich mir hier in Dänemark, bevor ich die große Überfahrt wagen muss. Ich muss gutes Wetter einplanen, d.h. ich sollte ab morgen auf dem Spung sein um ein geeignetes Wetterfenster abzupassen. Werde morgen nach Ærøskøbing fahren, dann Marstal, um Stand-By für die Überfahrt nach Kiel zu sein. Es fängt an zu regnen, und der Wetterbericht sagt soeben 6-7 Bft voraus.
Tag 15
Drejø Bro - Ærøskøbing
Heute nacht hat es wie aus Eimern geschüttet und gestürmt. Das eigentliche Gewitter ist knapp südlich von uns vorbeigezogen, mit dramatischem Wetterleuchten. Heute morgen um 6 musste ich raus, um die Plane zu retten, die im Sturm drohte sich selbstständig zu machen. Bin dabei ziemlich nass geworden, und die Kajüte ebenfalls. Aber halb so wild. Dann seltsame Dinge geträumt.
Nun ist es trüb und bewölkt, aber zumindest im Augenblick regnet es nicht. Der Wind hat bis auf 1-2 Windstärken nachgelassen. Gleich werde ich rüber nach Ærøskøbing fahren, ein Katzensprung. Stadt angucken, dann evtl. gleich weiter nach Marstal, wo ich mein "Basislager" für den "Aufstieg" nach Kiel aufschlagen will. Wenn ich heute abend dort bin, habe ich ein 3-tägiges "Startfenster" und kann sofort reagieren, wenn es sich öffnet.
Nun bin ich nach 1-stündiger Fahrt wohlbehalten in Ærøskøbing angekommen. Nicht in der Marina, sondern im alten Fischerhafenbecken, längsseits an der Südmole. Für morgen ist SW 6 angesagt, ich bleibe heute Nacht hier, kann morgen eh nicht nach Kiel. Ich werde mich heute hier verlustieren und dann morgen in aller Ruhe nach Marstal schippern und der Dinge harren, die da kommen mögen. Eben in der Hafeneinfahrt kam mir eine große Motoryacht entgegen, mit einer riesigen Ferrari-Flagge; der Typ am Steuerrad sah aus wie Willi Weber.
Ærøskøbing ist noch schöner als Fåborg. Die Stadt liegt an der sanft ansteigenden Nordküste von Ærø, von See her ein einzigartiger Anblick. Man nennt die Stadt auch die "Märchenstadt", was man gut verstehen kann. Man kommt sich vor wie in einem Fantasy-Märchen, wenn man so durch die Straßen schlendert. Und das erstaunliche: es gibt hier offensichtlich keine hässlichen Ecken! Viele Städte habe ein schönes Viertel, umgeben von architektonischen Sünden, oft gibt es auch einzelne Häuser oder Straßen, die Fremdkörper im Stadtbild darstellen. Aber ich bin kreuz und quer durch die Stadt gelatscht, die ja nicht so groß ist, und ich habe keine einzigen hässlichen Fleck entdeckt.
Der Wetterbericht hat soeben meine Planung durcheinander gewirbelt. Zunehmende Winde 7 aus Süd-West, Gewitterböen. D.h. die Strecke Marstal-Kiel ist zur Einbahnstraße geworden, und ich bin am falschen Ende. Neue Planung also: Morgen in aller Herrgottsfrühe nach Nordwesten um die Westspitze von Ærø herum, dann Kurs Süd-Südwest zur Flensburger Förde und weiter nach Schleimünde. Das lässt mir mehr Handlungsoptionen, ich habe auch einige Ausweichhäfen auf dem Weg: Søby, Fynshv, Mommark, oder doch nördlich um Als herum in den Als-Sund. Marstal ist jedenfalls gestorben.
Tag 16
Ærøskøbing - Wormshöfer Noor/Schlei
Un-glaub-lich!!! Wir sind tatsächlich angekommen, sicher vor Anker in meinem geliebten Noor. Das war die bisher ruppigste Überfahrt meines Lebens, und wir waren an der Grenze des Machbaren.
Also:
Zunächst sind wir bei schönem halben Wind (ca. 5) die Nordküste von Ærø vorbeigerauscht. Dann um die Ecke rum, und da waren sie auch schon, die hohen Wellen aus Südwest, ca 1m hoch. Aber es ging, Fynshav konnte ich gut anliegen, mit 5 ½ Knoten gegenan über den kleinen Belt. Dann die Küste runter auf Südkurs, ständig Schauerböen, aber alles im grünen Bereich. Je südlicher ich kam, desto mehr nahm der Wind zu, und desto mehr wurde ich nach Osten abgetrieben.
Als die offene Flensburger Förde querab war, hatte ich gute 6, in Böen gute 7. Die See wurde immer höher und steiler, und GUSTAV flog krachend in die Wellenschluchten, die mittlerweile gut 2m tief waren. Dabei hatte ich das Gefühl für Sekundenbruchteile in der Luft zu schweben, also komplett von der Sprungschanze abgehoben zu haben, um dann mit zitterndem Rumpf und Rigg ins Wellental reinzukrachen. Da hatte ich zum ersten Mal Angst. Ich konnte auch nicht mehr genügend Höhe laufen, um die Schleimündung anzusteuern; ich sah mich schon quer über die Kieler Bucht nach Osten auf Langeland zutreiben. Auch die Begegnung mit einem anderen Boot, größer als GUSTAV, vermochte mich nicht zu ermutigen, denn es sah krass aus, wie das Boot von Welle zu Welle sprang und mir dabei immer mal wieder den Kiel in seinen ganzer Länge zeigte.
Wie muss GUSTAV wohl ausgesehen haben! Wenn ich so hoch an den Wind ging, dass ich Schleimünde direkt ansteuern konnte, fiel mein Speed durchs Wasser so drastisch, dass ich nach Lee driftete statt Boden gutzumachen. Dabei fegten tiefe dunkle Wolkenwalzen über mich hinweg. Das ganze Spektakel dauerte etwa eine halbe bis dreiviertel Stunde, und als ich gerade umkehren wollte nach Mommark, nahm der Wind etwas ab und ich konnte höher ran. Ich musste noch 2 Kreuzschläge machen, um mich an die Küste von Angeln heranzukämpfen, es kam mir vor wie eine Ewigkeit. Dabei musste ich fast wieder zurück in die Flensburger Förde, ich war schon auf Höhe Schleimünde. Schliesslich war ich am Leuchtturm Falshöft soweit unter Landschutz, dass ich schnell und wie auf Schienen die Küste entlang bis Schleimünde segeln konnte.
Ankere jetzt am bewaldeten Westufer des Wormshöfer Noors und bin total ausgepumpt. So einen anstrengenden Segeltag hatte ich noch nie. Und so nah am umkehren war ich auch noch nie. Aber ich hab´s geschafft!!! Herrlich, jetzt hier im Cockpit zu sitzen nach einem so herben See-Tag. Unmittelbare Gefahr bestand eigentlich zu keinem Zeitpunkt, ich hatte immer alles unter Kontrolle, wenn auch die Grenze fast erreicht war. Die Option umzukehren bestand immer, und bei halb/achterlichem Wind wäre es ein leichtes gewesen, nach Mommark abzulaufen. GUSTAV ist selbst in der krassen halben Stunde vor der Flensburger Förde immer stabil beblieben und hat sich nie wirklich bedrohlich auf die Seite gelegt. Extreme Belastungsprobe für Rumpf und Rigg, besonders beim harten Aufprall in den Wellentälern, als das ganze Schiff erbebte. Ein dickes Lob für GUSTAV!!
Tag 17
Wormshöfer Noor/Schlei - Kiel-Holtenau
Habe sehr gut geschlafen, tief und fest. Ein hervorragender Ankerplatz. Sonst war der Tag eher nervig. Die eigentliche Überfahrt war OK, zunächst bei Südwind, was mich doch ziemlich nervte, dann drehte er böig auf W-SW, so dass ich bei fast halbem Wind gut 5 kn laufen konnte. In der Kieler Förde fing es dann an zu regnen und ich fuhr bei Windstille durch Felder kleiner schwarzer Fliegen, das ganze Wasser war bedeckt davon, im Nu auch das Boot. Ich war umgeben von Milliarden von Fliegen, wie im Horrorfilm. Hatten sie sich mal gesetzt, machten sie keine Anstalten mehr sich weg zu bequemen, geschweige denn zu fliegen. Sah sehr nach kollektivem Massenselbstmord aus. Jeder Schritt, jeder Handgriff zerquetschte Dutzende von ihnen.
Beim Hantieren mit dem Außenborder bekam dann meine gelbe Regenjacke auch noch ihr Schmierfett weg, alles schwarz und glitschig. Habe es dann grollend bis Holtenau geschafft. Eben fällt mir die Wurst aus der Pfanne. Und meine Stegnachbarn unterhalten sich brüllend über 5 Boote hinweg. Kinder schreien, und 2m neben mir steht ein Opa und kommentiert jeden Furz. Ein Tag zum Vergessen. Grrrrr!
Tag 18
Kiel Holtenau - Eider (Km 32)
So, jetzt hab ich wieder geankert, etwas nördlich der Stelle, wo ich auf dem Hinweg geankert habe. Direkt am Ufer, mitten in einem Seerosenfeld. Liege "längsseits", mit Bug- und Heckanker, wobei der Heckanker durch die leichte Strömung ziemlich straff kommt. Falschrum geparkt! Egal, hier hann nichts passieren. Das Wetter ist, nun ja, bescheiden: bewölkt und viel Wind aus NNW, ich hoffe der lässt nach!
Heute konnte ich einem denkwürdigen astronomischen Ereignis beiwohnen: der Sonnenfinsternis, die hier oben leider nur partiell war. Ich habe fast einen ganzen Film verschossen, und durch die leichte Bewölkung, die wie ein Filter wirkte, konnte man die Sonnenscheibe ohne optische Hilfsmittel direkt beobachten und auch fotografieren. War schon interessant, aber bei weitem nicht spektakulär. Immerhin war so der Weg durch den Nord-Ostsee-Kanal nicht so langweilig.
Wieder überall diese Fliegen! Aber es ist schön, wieder vor Anker zu liegen und die Ruhe zu geniessen.
Tag 19
Eider (km 32) - Tönning
Diese Fliegen sind der blanke Horror! Nach einer recht eintönigen Fahrt durch die eng mäandernde Eider (mit Zwischenstopp in Pahlen zum Tanken und Kacken) jetzt gut in Tönning festgemacht. Ich weiss jetzt, warum die Batterie ständig in die Knie gegangen ist: die Ladeklemme war abvibriert. Habe sie provisorisch mit Tape repariert und kann jetzt wieder Radio hören. Morgen dann die ultimative Überfahrt nach Büsum, und es sieht wettermässig sogar sehr gut aus! NW um 4, langsam abnehmend und umlaufend. Keine Gefahr also, und guter Segelwind. Natürlich wäre Nord noch besser gewesen, aber wir wollen mal nicht unbescheiden sein.
War eben im "Godewind" essen, einem sehr schönen Restaurant direkt am Hafen. Terasse mit Blumen, ein wilder Garten, schöne Holzmöbel. Eben hat es geregnet, und es ist kühl, 15°C. Vor einer Woche waren es noch doppelt so viel um diese Uhrzeit (halb 10 abends). Morgen abend bin ich zu hause, und ich freue mich drauf. Dann ist Freitag, der 13., abergläubisch bin aber nicht, oder sollte ich?
Tag 20
Tönning - Büsum
Vielleicht hätte ich abergläubisch sein sollen an diesem Freitag, dem 13. August. Mir ist widerfahren, was wohl jedem richtigen Wattenmeer-Segler irgentwann mal passiert. Aber der Reihe nach.
In absoluter rabenschwarzer Finsternis in Tönning abgelegt. Hatte zunächst Probleme die Fahrwassertonnen zu erkennen, denn mein Halogenstrahler war eher kontraproduktiv; das angestrahlte Vorstag blendete mich derart, dass ich voraus nichts erkennen konnte. Auch die kurz vor mir ausgelaufenen Krabbenfischer waren keine Hilfe, denn ich erkannte gerade noch rechtzeitig, dass sie das ausgetonnte Fahrwasser verlassen hatten. Als ich am Sperrwerk war, war es dann hell genug. Ich schleuste zusammen mit einer anderen kleinen Yacht, etwa 8m.
Kaum waren wir in die Ausseneider gespült, konnte ich meinen Augen kaum trauen: der GPS zeigte nie dagewesende Geschwindigkeiten über Grund an, 8 kn, 8.5 kn, 8.9 kn, 9.2 kn! Da schob einer kräftig mit! Bei diesem Speed die Eider raus würde ich schon um 11 vormittags in Büsum sein! Das andere Segelboot zog langsam davon und setzte Segel, bei lauem Nordwest-Wind. Na, was der kann, kann ich auch! Ich also Groß hoch, Genua hoch. Dann verkantete sich das Fall und ich muss nach vorne zum aufklaren. Das hätte ich nicht tun sollen, denn nun driftete ich steuerlos auf die Sandbank zu, die nicht grundlos vom Fahrwasser umrundet wird. Er begab sich, dass ich just zu der Sekunde, als ich am Fockfall rumfummelte, eine scharfe Linkskurve, dem Fahrwasser folgend, hätte einleiten sollen. Als ich das merkte, war es bereits zu spät, und der ablaufende Strom katapultierte mich mit 5 kn auf die Sandbank. Es rumpelte, und um 6:30 ich hatte festen Boden unter den Kielen.
Wie Michael Schuhmacher war ich aus der Kurve getragen worden und im "Kiesbett" gelandet. Nun folgte der zweite Fehler: Statt voll rückwärts zu geben, versuchte ich die Flucht nach vorne über die Sandbank hinweg, sozusagen als Abkürzung zurück ins Fahrwasser. Aber da fuhr ich mich nur noch fester in den Sand. Nach 10 Minuten habe ich dann aufgegeben und mich in mein Schicksal gefügt. Warum hat Gott schliesslich GUSTAV mit zwei Kielen ausgestattet, wenn er nicht auch mal aufrecht stehen soll? Mit erstaunlicher Geschwindigkeit verschwand das Wasser und liess mich auf einer wunderschönen Sandbank zurück.
Ich zog die Gummistiefel an und inspizierte den Meeresgrund, auf wir gestrandet waren. Ich sah nun, warum mein Bestreben, das rettende Fahrwasser vorwärts zu erreichen, zum Scheitern verurteilt war: dort stieg der Grund an, während er da, woher ich kam, zu einem Seitenpriel des Fahrwassers abfiel. Wenn ich Vollgas zurück gegeben hätte, wäre ich also vielleicht wieder freigekommen. Dies nehme ich als Lehre mit: Läufst Du auf, befreie Dich immer rückwärts, niemals vorwärts. Mag trivial klingen für erfahrene Flachwasser-Seefahrer, aber ich hatte diese Lektion jetzt gelernt. Entsprechend bereitete ich meine Flucht vor: ich grub den Anker dort ein, wo GUSTAV am ehesten zurück ins tiefe Wasser gezogen werden konnte.
Nun ging die Rechnerei los: ich war etwa 3h nach HW aufgebrummt, d.h. etwa 3h nach NW würde ich freikommen. NW am Sperrwerk war nach Tidenkalender um 10:36, d.h. ich würde gegen halb 2 nachmittags wieder Wasser unter den Kielen haben. Und ich könnte es noch im Hellen bis Büsum schaffen. Das Wasser stieg dann schneller als erwartet, und um 10 Uhr war bereits rund um das Boot alles nass. 11:24, GUSTAV beginnt sich aufzurichten; 11:40, frei und schwimmend; 11:52, zurück im Fahrwasser. Mein Plan, mich am Anker zurück ins tiefe Wasser zu ziehen, hat hervorragend funktioniert. Aber jetzt ging die Arbeit erst los, denn der Strom, der mich Stunden zuvor auf fast 10 Knoten beschleunigt hatte, "blies" mir nun ins Gesicht.
Es erbab sich die eigentümliche Situation, dass ich mit Vollgas durchs Fahrwasser fuhr, mich aber nicht von der Stelle fortbewegte. Eine rote Fahrwassertonne, ich weiss ihre Bezeichnung nicht mehr, wurde für eine Stunde mein Nachbar, der treu an meiner Seite blieb. Der GPS zeigte 0.0 kn Speed über Grund an, und der Aussenborder lief Vollgas. Als ich fast schon aufgeben wollte und nach Tönning umkehren, fing ich an, mich langsam an den Tonnen entlang Richtung Nordsee zu hangeln. Zunächst nur Knotenbruchteile, aber bald konnte ich satte 2 Knoten über Grund machen.
Als ich das Eider-Fahrwasser hinter mir hatte und nach Süden Richtung Norderpiep abbiegen konnte, liess mich ein schöner NNW-West Stärke 3 sogar mit ausgebaumter Genua bis zu 3.5 kn segeln. In der Piep hatte ich dann wieder Gegenströmung, aber was sind schon 2.5 kn Gegenstrom, wenn man die Eider mit 5 kn kennengelernt hat! Um 18:15 machte ich glücklich und um einige Erfahrungen reicher in Büsum fest.
Epilog
Ich hatte es also am Freitag dem 13. August noch geschafft! Das war auch gut so, denn am Samstag begann eine längere Schlechtwetter-Periode, mit Gewitter, Regen und Sturm. Somit habe ich zum Ende meiner Reise noch einiges an Glück verbraucht. Den Göttern der See und der Winde sei Dank!