Meine erste Einhandtour führte mich 1997 in die Schlei. Ich kannte diesen tief in die Schleswig-Holsteinische Moränenlandschaft einschneidenden Meeresarm schon von vielen Motorrad- und Autotouren von Kiel aus. Die Schlei ist wunderschön, sehr geschützt und locker innerhalb eines Tages von Kiel aus zu erreichen; sozusagen das ideale Gewässer für Einhand-Anfänger.
Logbucheinträge in kursiv.
GUSTAV, einen 5,50 m langer Kimmkieler, hatte ich seit 1993. Ich hatte ihn in Kiel gekauft, ins Wasser kam er aber erst nach einer Fahrt über die buckligen Mecklenburger Landstrassen, und fand schliesslich in Warnemünde im toten Warnow-Arm hinter der Klappbrücke eine neue Heimat. Dort wurde er bis 1997 zweimal aufgebrochen und seines Aussenborders beraubt. Es war trotzdem eine sehr schöne Zeit. An den Wochenenden, wenn es warm war und die Sonne schien, klappte ich den Mast runter um unter der Brücke durchzukommen, und fuhr zum Yachthafen, wo ich den Mast wieder stellte und das Boot segelklar machte. Dann segelte ich einige Seemeilen vor der Küste hin und her, oder ich ankerte vor dem hohen Stoltera-Ufer, um zu lesen, zu baden, zu dösen, oder einfach nur aufs Meer zu gucken. Oder die Wochenend-Törns zum einsamen und verwilderten Anleger Schnatermann am Ostufer des Breitling. Das gehört zu meinen schönsten Erinnerungen an Warnemünde.
Ein Highlight war auch der Besuch der "Queen Elisabeth II", des grössten Passagierschiffs der Welt. Wie ein riesiger Felsen lag es 2 sm vor Warnemünde vor Anker. Neben diesem Koloss schrumpften die Dänemark-Fähren zu Bötchen. Hunderte von Yachten und Motorboote aller Größen umschwärmen das riesige Schiff wie Fliegen einen Kadaver.
Im Frühjahr 1997 wechselte ich dann nach Büsum, bezog aber in Kiel meine Hauptwohnung in Kiel, da ich von Donnerstag abend bis Montag früh ein verlängertes Wochenende hatte, einen wöchentlichen Mini-Urlaub. GUSTAV bekam einen Liegeplatz in der Marina Wendtorf, ein sehr schöner Platz, wenn man mal von der grässlichen Architektur absieht. Dort wagte ich mich zunächst auch nicht weiter als bis zum Kieler Leuchtturm und in die innere Förde. Im Sommer dann wollte ich aber meinen ersten echten Einhand-Trip wagen: was lag da näher als die Schlei.
Am Samstag, dem 9. August ging es los. Mit Olaf und Maike war ich am Abend in Arnis verabredet.
9. August
Marina Wendtorf - Arnis
Erster Tag, gemächliches Segeln bei 3 Windstärken aus Ost, über die Förde jedoch eingeschlafen. Bei Bülk den Motor angeworfen, da der Speed unter 3 kn fiel. Ab Mtte Eckernförder Buch wieder gesegelt, zunächst mit 3-4 kn, später bei auffrischendm Wind mit gut 4-5 kn. Vorbei an der Bohrinsel Schwedeneck B auf Nord gegangen, die Sperr- und Warngebiete rechts gelassen. Schleimünde rein unter vollen Segeln mit Rückenwind. Sofort merke ich die Hitze und den tierischen Sonnenbrand, den ich mir auf den 25 sm seit Wendtorf geholt habe. Im Pulk zusammen mit 10.000 Schiffen die "Autobahn" entlang vorbei an Maasholm. Segel runter, Motor an. An der Drehbrücke von Kappeln bin ich um 17:15. Da die Brücke erst um 18:00 aufmacht, lege ich an die hohe Spundwand an und genehmige mir ein Eis. Um halb sieben mache ich in Arnis fest. Von Olaf und Maike keine Spur, sie trudeln erst gegen 20:30 ein. Wie verholen die Boote, dann gehen wir an der Schlei spazieren. Danach bei mir gekocht, Rotwein satt.
Arnis nennt sich selbst "die kleinste Stadt Deutschlands". Tatsächlich eher so gross wir ein Dorf, eine Hauptstrasse, daran aneinandergereiht die Häuser. Arnis liegt auf einer Halbinsel zwischen der Schlei und dem Arnisser Noor, an dessen Ufer neben dem Yachthafen auch zwei Werften liegen. Das Ufer an der Schlei ist sehr romantisch, und die Grabsteine auf dem Kirchfriedhof bezeugen, dass in den letzten Jahrhunderte viele Seeleute aus Arnis auf allen Weltmeeren um ihren Lebensunterhalt und oft auch ums blanke Überleben kämpften.
Am nächsten Tag mussten Olaf und Maike zurück nach Kiel, und ich begleitete sie die Schlei hoch bis Maasholm. Wie immer um diese Jahreszeit fuhren wir im Konvoi mit dutzenden anderer Boote Richtung Ostsee. Kurz vor Maasholm biege ich ab ins Wormshöfer Noor. Vorbei am kleinen Noorhafen von Maasholm biege ich nach Osten in die Bucht ein und taste mich langsam vorbei an ankernden Booten und Stellnetz-Fähnchen and Ufer heran. Der Anker fällt etwa 100 m vom Ufer entfernt auf 2 m Wassertiefe.
10. August
Arnis - Wormshöfer Noor
Morgens nach gutem Frühstück zusammen mit Olaf und Maike aufgebrochen. Ein tierisch heisser Tag bei schwachem Ost-Südostwind. In Kappeln kurz festgemacht um auf die Brücke zu warten; Eis und Ansichtskarten gekauft. Kurz vor Maasholm links abgebogen ins Wormshöfer Noor, dort am Ostufer geankert. Im Norden der winzige Hafen von Exhöft, im Süden Maasholm. Viele andere Ankerlieger, viel zu sehen. Schönes Ufer an der gegenüberliegenden Seite des Noors. Hatte die Petroleumlampe als Ankerlicht vorbereitet, aber alle anderen setzten auch kein Licht, also habe ich es auch gelassen. Abends und nachts sehr schöne Beobachtungen mit dem Fernglas gemacht. Baden gegangen, Krabbensuppe gegessen.
Der dritte Tag war wieder sehr heiss. Es ging ins Lindauer Noor.
11. August
Wormshöfer Noor - Lindauer Noor
Mittags aufgebrochen. Unter Motor bis Kappeln, da Boot segelklar gemacht, Brücke um 12:00 genommen. Danach weiter nur unter Genua: viel einfacher zu bedienen und notfalls zu bergen, ausserdem keine Eile. Zunächst bis Arnis bei 2 kn gekrochen, danach zwischen Arnis und Sieseby bei 3-4 kn. Schönes gemächliches dahinsegeln, allerdings bei wahnwitziger Hitze. Ich musste mir wie ein Araber ein Tuch um den Kopf binden um keinen Hitzeschlag zu bekommen. Kurz vor der Klappbrücke Lindaunis frischte der Wind auf gute 5 auf , das Segelbergen vor der Brücke wurde daher etwas hektisch. An der Festmachboje 1 h auf die Brückenöffnung gewartet. Dann rechts ab ins Lindauer Noor, vorbei am Campingplatz. Am Ostufer gegenüber der kleinen Linauhof-Marina vor Anker gegangen. Sehr schön am Schilfufer und einem kleinen Wäldchen und Hügel mit Kornfeldern und Wiesen. Im Wasser die ersehnte Abkühlung, trotz grüner Algensuppe. Wassertiefe nicht tiefer als 1.50 m, konnte stehen neben GUSTAV. Das Sonnensegel leistet unschätzbare Dienste, wäre sonst nicht auszuhalten.
Das Lindauer Noor ist bestimmt eine der schönsten Buchten der Schlei. Sehr flach, deshalb nur von flachgehenden Booten anlaufbar, d.h. höchstens 1 m. Man liegt am sanft ansteigenden Ufer, geschützt von kleinen Wäldchen, die direkt ins Wasser ragen. Am gegenüberliegenden Ufer ist ein schräges Häuschen hinter Büschen versteckt, wie aus dem Märchen. Das Lindauer Noor ist ein kleines Paradies.
2. August
Ankertag Lindauer Noor
Baden, faulenzen, lesen (Hawking`s "Einstein`s Traum": abgefahrene Gedanken zur Vorhersagbarkeit auf verschiedenen Skalen; Dava Sobel's "Längengrad" in einem Rutsch durchgelesen: das spricht eigentlich für sich). Es herrscht eine Affenhitze, und es soll noch heißer werden. Im Radio werden Leute an ihrem Arbeitsplatz interviewt, wie sie es schaffen bei dieser Hitze ihre Arbeit zu erledigen. Ich hör's mir an und nehme im Noor eine kleine Abkühlung. Zurück im Boot geniesse ich den leichten Luftzug der durch die Tunnelwirkung meines Sonnensegels durchs Cockpit streicht. Das Boot ist mein Universum, mein Uterus. Ich bin ständig nackt. Für heute nacht ist ein Meteorschauer angesagt.
Das Leben an Bord ist sehr bequem und angenehm, und wegen des Wetters auch nicht zu eng. Zum Segeln ist es aber eigentlich zu heiss, da man ständig in der Sonne ist. Trotzdem will ich morgen weiterziehen, vorher am Campingplatz einkaufen. Die einzige logistische Schwierigkeit ist die Scheisserei. Ich nehme den roten Eimer, halb mit Wasser gefüllt. Die Exkremente gehen den Weg allen Irdischen, das Klopapier wird jedoch als Sondermüll in einer Plastiktüte gesammelt und an Land entsorgt.
Dieses Verfahren mag etwas archaisch anmuten, ist aber auf so einem kleinen Boot, zumal bei diesem Wetter, die einzige Lösung. Da ich das einzige Boot im Noor bin, der Natur durchaus zuzumuten.
13. August
Lindauer Noor - Ostufer Große Breite
Gegen Mittag im Lindauer Noor aufgebrochen. Beim Losfahren einen kurzen Schlag am Ruder gespürt, dann aber alles OK. Kurzer Zwischenstopp am Campingplatz, geduscht, aber der Laden war zu. Weiter nach Süden in brütender Hitze ohne nennenswerten Wind unter Motor. Südöstlich der kleinen Insel Kieholm, nördlich der alten Königsbucht zwischengeankert. Theoretisch ein schöner Platz, jetzt jedoch zu viele Motorboote, der hässliche Campingplatz direkt gegenüber. Nach 1h Anker gelichtet, weiter durch die Missunder Enge in die Große Breite. Der Schleswiger Dom ist in Sicht. Am Steilufer der Ostküste geankert, nördlich von Wieseby. Viele andere Boote, aber viel Platz. Unterm Sonnensegel ist es gerade so auszuhalten, der definitiv heisseste Tag bisher. Selbst die lauen Lüftchen, die sich ab und zu mal bequemen zu gehen, scheinen aus einem Backofen zu kommen. Ich hoffe auf kühleres Wetter in den nächsten Tagen. Es könnte ruhig mal regnen und etwas mehr wehen. Ich werde übermorgen oder so ein oder zwei Tage Kulturprogramm in Schleswig einschieben. Altstadt - Museum Schloss Gottorf - Wikingermuseum Haithabu. Morgen soll der Wind auf West - Nordwest gehen - vielleicht ein Anfang. Allerdings soll es heiss bleiben. Vom Ankerplatz sehr schöner Panorama-Blick nach Schleswig, zum Yachthafen Fleckeby, zur Schrader Marina und zum Schloss Louisenlund, dem berühmten Internat für höhere Töchter und Söhne. Am Abend wie auf dem Hubschrauberlandeplatz. Tausende von Speedboats mit kreischenden Kids im nachgeschleppten Gummireifen. Wasserskifahrer fahren Slalom um die ankernden Boote. Bin stinksauer, muss aber erkennen, dass dies eine ausgewiesene Wasserski-Zone ist. Grmpf!
Die Große Breite ist die einzige wirklich freie, seeartige Fläche der Schlei, noch dazu ganz nah an der "Großstadt" Schleswig. Klar, dass dies das Schleswiger Hausrevier ist, und zwar nicht nur für Segler, sondern für Wassersportler aller Art. Der gesame östliche Teil ist Wasserskigebiet. An den Wochenenden ist hier naturgemäss viel los. Aus Schleswig kommen richtige Ausflugsdampfer mit dutzenden kreischender Kids, die nacheinander von hochmotoirisierten Schlauchbooten auf Skiern oder in Reifen durchs Wasser gezogen werden. Erst lange nach Sonnenuntergang werden die Anker gelichtet und es geht zurück nach Schleswig.
14. August
Ostufer Große Breite - Stexwig
Heute vormittag totale Flaute, zum Abhängen und und Faulenzen genutzt. Nachmittags dann auffrischender Westwind auf ca. 4, ideal zum Segeln. Gegen 15:00 raffe ich mich auf und lichte den Anker. Unter Segeln kreuze ich gegenan mit 4-5 kn. Ankerleine und Genuaschot kommen sich in die Quere, ich muss nach vorne zum Entwirren. Alles sehr ruhig und unhektisch. Kurz vor der Stexwiger Enge rechts raus zum Ankern vo der Halbinsel Reesholm. Geschützt vor dem angesagten West-Nordwest. Morgen entgültig Schleswig.
Ich ging ins Wasser und konnte neben GUSTAV stehen. Ich versuchte die Kamera nicht naß zu machen und machte einige Fotos von GUSTAV. Von Westen zog der Himmel immer mehr zu. Von den 6 anderen Ankerliegern lichtet einer nach dem anderen den Anker. Ich beginne zu zweifeln, ein Gewitter vor Anker ist kein sehr angenehmer Gedanke.
19:30 - der Wind hat noch aufgefrischt auf 4-5 aus West. Ebenfalls aus West aufkommende Bewölkung, die Sonne versinkt in einem trüben Schleier. Ich weiss nicht ob das ein Geitter werden will, aber ich glaube ich bleibe hier, denn der Anker sollte halten, egal was da kommt. Es sind noch 6 andere Boote hier, die offensichtlich auch die Nacht vor Anker verbringen wollen. 20:30 - Ich bin doch geflohen - in den kleinen Yachthafen von Stexwig. Die anderen haben sich einer nach dem anderen aus dem Staub gemacht. Habe einen freien Platz gefunden, gut geschützt, soll jetzt kommen was da will. Aus Westen kommt es immer bedrohlicher.
Der Stexwiger Hafen ist ein langer Schlauch, mit Boxen auf jeder Seite. Ich mache an der Ostseite fest, etwa in der Mitte. Leider gibt es keine richtigen sanitären Anlagen, aber dafür eine Freiluftdusche mit Blick über die Schlei. Vom Hafenmeister keine Spur.
15. August
Stexwig - Stadthafen Schleswig
Hätte gestern getrost draussen bleiben können, ist absolut nix passiert. Wahrscheinlich wäre erst ein echter Sturm in der Lage, den Anker aus dem Schlickgrund loszureissen, wenn er sich erst mal eingegraben hat. War aber gut so. Heute morgen direkt am Strand geduscht mit Blick über die Grosse Breite. Wirklich schön. Unter Motor gegenan nach Schleswig. Festgemacht im Stadthafen direkt unterm Speicher und Hafenmeisterbüro/Cafe/Restaurant/Dusche/Klo; also günstig aber exponiert. Dank meiner Sonnenplane habe ich aber eine perfekte Privatsphäre. Spaziergang durch Schleswig - eine wirklich und wahrhafig schöne Stadt! Man hat das Gefühl, dass die Leute ein Gefühl für Schönheit haben, im Gegensatz zu vielen anderen Städten an der Nord- und Ostsee. Erinnert etwas an Flensburg, liegt das vielleicht am dänischen Einfluss? Die Stadt macht den Eindruck einer lebenswerten Stadt, in der freundliche Menschen ihr Leben geniessen. Ein Hauch von Kultur ist hier spürbar. Ein kühles Weizenbier im Biergarten - köstlich bei diesem warmen Sommerwetter.
16. August
Stadthafen Schleswig
Heute Hafentag mit Kulturprogramm. Nach ausführlichem Frühstück (Sonne mal wieder viel zu heiss) gegen Mittag Richtung Schloss Gottorf gewandert. Für 10 Mark Ticket für das gesamte Programm gekauft (Barock, Steinzeit, etc. bis hin zur Modernen Kunst). Leider nicht alles geschafft; "Italien vor den Römern" und "Kunst des 20. Jahrhunderts" fehlen noch. Mögliche Szenarien für morgen: rüber in den Haddeby- Yachthafen. Haithabu-Museum, dann rüber in den Wiking-Yachthafen und wieder zum Gottdorf-Museum - oder umgekehrt. Ist jedenfalls nicht schlecht mal wieder rumzulatschen. Auf einem 5-einhalb-Meter-Boot ist die Bewegungsfreiheit doch etwas eingeschränkt.
17. August
Stadthafen Schleswig - Wiking Yachthafen
Ein weiterer Tag mit Kulturprogramm. Zunächst rüber nach Haddeby, von dort ist es ein 10-minütiger Spaziergang zum Wikinger-Museum Haithabu. Das Mauseum erinnert stark an die "Visitor Centers" in den National Parks der USA - sehr gut gemacht. Traumhafte Lage direkt am Haddebyer Noor, das heute keine schiffbare Verbindung zur Schlei mehr hat. (ausgenommen Ruder- und Paddelboote). Das Noor selbst ist absolut naturbelassen. Nicht die Spur einer Bebauung an den Ufern, wenn man vom Museum aus blickt. Man kann sich in dieser Landschaft sehr gut vorstellen, wie die Wikinger in ihren Schiffen langsam ins Noor eingelaufen und dort vor Anker gegangen sind oder an der Pier von Haithabu angelegt haben. Bestimmt der idyllischste Ort an der Schlei.
Das Wikinger-Museum von Haithabu ist ein absolutes Highlight eines jeden Schlei-Törns. Man wird zurückversetzt in die Zeit von ca. 1200 Jahren, als Haithabu (das heutige Schleswig entstand erst später) das wirtschaftliche Zentrum Nordeuropas war. Die Wikinger, deren Reich von etwa 800 - 1000 n. Chr. das gesamte Nordeuropa umspannte, nutzten den Ort am Scheitelpunkt der Schlei als Drehscheibe ihrer Handelsverbindungen. Über die Schlei war man schnell in der Ostsee, und die Verbindung zur Nordsee wurde über die Treene und Eider hergestellt. Dabei machte man sich nicht die Mühe, die Güter vom Schiff auf Landfahrzeuge umzuladen, die Wikinger schafften kurzerhand ganze Schiffe die paar Kilometer von Haithabu bis zur schiffbaren Treene und zurück. Die Schiffe wurden über Baumstämme gerollt. Dies war sowohl schneller als auch sicherer als der gefährliche Seeweg um Skagen herum. Haithabu war nach damaligen Maßstäben eine Großstadt; heute kann man auf der flachen Wiese mit Phantasie gerade noch deren Umriss erkennen, ein Halbkreis von etwa 200 Metern Durchmesser, direkt am Ufer des Noors.
GUSTAV verholt in den Wiking-Yachhafen am Fuß des Wohnturms, einer typischen Hinterlassenschaft der 70er-Jahre-Architektur, wirklich hässlich. Ansonsten ist der Hafen eine gute Groß-Marina. Nochmal Schloss Gottdorf. Sitze jetzt wieder im Cockpit, mit netten Nachbarn, einer Familie mit etwa 10m-Schiff. Im Vergleich zu GUSTAV wirkt jedes Schiff riesig und man ist immer "unten". Das Boot schräg gegenüber aber erregte mein höchstes Interesse: eine Jolle mit einer jungen internationalen Besatzung; 3 Mädels, etwas 20-30 Jahre alt, 2 Typen, einer davon Deutscher, der andere Italiener, offensichtlich der Skipper. Von den Mädels eine Italienerin und eine Asiatin, alle dem Wetter entsprechend gekleidet mit leichten, im Wind wehenden Kleidern; die Asiatin mit aufreizend kurzem Rock. Ich musste sofort an Kitty denken aus "Mond über Manhattan". Sie lachten und unterhielten sich auf deutsch, englisch und italienisch, eine erotische Spannung war über die Stege hinweg spürbar. Nun sind sie weg und ich sitze hier mit meinem Tagebuch, einhand.
18. August
Wiking Yachthafen - Lindauer Noor
Der Scheitelpunkt meiner Reise ist erreicht. Die Rückreise ist in Angriff genommen. Nach Duschen und Frühstück kurzer Abstecher zum Schleswiger Stadthafen zum Einkaufen, dann Segel gesetzt. Zunächst amerikanisch gesegelt (gegenan), in der Große Breite dann zeitweise den Motor ausgemacht, und gegenan gekreuzt. Hervorragend hat sich hier bemerkbar gemacht, die Genuaschot nicht über die Holepunkte der Leitschiene zu fahren (zu weit vorne), sondern über die achterlichen Umlenkrollen am Cockpit. Deutlich besserer Stand der Genua, hat sich auch sofort in Speed umgesetzt: teilweise 6 kn am Wind (laut Log)! Habe wieder im Lindauer Noor geankert, schön einsam.
Da ich keinerlei Regatta-Ambitionen habe und eher ein gemütlicher Schönwettersegler bin (ich definiere Segeln eher als "Segel in den Wind halten und sich von ihm treiben lassen"), setzten sich technische Verbesserungen, was seglerische Effizienz und Speed angeht, auf GUSTAV eher schleppend durch. Den Tip mit dem nach hinten versetzten Fockschot-Holepunkt bekam ich schon zu Warnemünder Zeiten, also bereits vor Jahren. Dagegen werden Verbesserungen im Komfortbereich auf GUSTAV recht schnell umgesetzt.
9. August
Lindauer Noor
Ankertag, morgentliches Bad, rumhängen, Radiohören, lesen. Es ist nicht mehr ganz so heiss wie in den letzten Tagen und teilweise bewölkt, allerdings fast windstill. Habe mal wieder Glück mit dem Ankerplatz: keine 100 m entfernt am Ufer reisst ein Traktor mit einem Pflug die Erde auf und hinterlässt eine braune Fläche. Es sieht aus als würde dem Hügel die Haut abgezogen, kein schöner Anblick, und höllisch laut. Aber mir fehlt wohl das Verständnis für landwirtschaftliche Sachzwänge.
Meine nächsten Projekte fürs Boot:
- Ösen am Mast um Spinnakerbau an der Vorderseite zu befestigen.
- Öse an Baumunterseite für Baumniederholer (Talje)
- Fockfall verlängern (Vorsegel lässt sich nicht ganz runterziehen)
- Kleine Rolle an der Baumnock für Unterliekstrecker
- Am Mast: Cuningham - Vorliekstrecker, Lümmelbechlag Baum - Schraube auswechseln
- Doppeltes Vorstag
- Smeerreep mit Beschägen
- Fallen ins Cockpit umlegen
Man macht sich schon so seine Gedanken wenn man Langeweile geniesst.
20. August
Lindauer Noor - Wormshöfer Noor
Ein phantastischer Segeltag! Von der Klappbrücke Lindaunis bis Arnis gesegelt bei Ost 4-5, d.h. gegenan gektreuzt; dabei laut Log teilweise 6 k gelaufen! Dabei 24 Fuß-Yacht versägt. Die war zwar auf gleichem Kurs geringfügig schneller, aber ich konnte mehr Höhe laufen, wodurch ich am Ende 1-2 Kreuzschläge gespart habe. Sollte doch der Regattatrieb in mir geweckt worden sein? Von Arnis bis Kappeln amerikanisch, ab Kappeln nur mit Motor. Hinter der Ecke, wo es auf die lange Gerade nach Schleimünde geht, bekomme ich die 5 aus Ost voll ins Gesicht. Selbst unter Vollgas sind nur 4 Knoten zu machen. Ich ankere im Wormshöfer Noor, genau wie am 2. Tag. Sehr schön, das Wetter ist phantastisch: sonnig ,warm und windig. Wahrscheinlich bleibe ich morgen noch hier und segle erst am Freitag zurück; morgen soll es wieder schön werden. Und die Aussicht, im Auto bei brütender Hitze im Stau zu stehen reizt mich nicht besonders. Ich hoffe nur, dass der Wind so bleibt und nicht auf Süd - Südost dreht. Ost 4 ist zu Zurückfahren ideal. Wenn der Wind so bläst wie heute, ist die Fock dran!
Später am Abend kamen dann erste Meldungen über einen Wetterumschwung: evtl. wäre morgen der letzte schöne Tag mit angenehmen Winden. Ich hörte morgens den Wetterbericht ab und entschloss mich zur sofortigen Heimfahrt, was sich als einzig richtige Entscheidung herausstellen sollte.
21. August
Wormshöfer Noor - Marina Wendtorf
Heute morgen zunächst nach Maasholm, Toilette & Sanitär; das Wetter im Hafenbüro verkündete dasselbe wie NDR 2: Ost-Südost 4. Entscheidung gefallen zgunsten sofortiger Rückreise. Vor Schleimünde ziemlicher Seegang, bin ca 15 Min. gegenan gemotort um genügend Seeraum für die Segelmanöver zu haben. Dann Fock und ungerefftes Groß gesetzt. Fock zunächst für zu klein gehalten, aber ab Damp war klar dass die Genua zu groß gewesen wäre. Unter Fock und Groß kostant hoch am Wind 5-6 kn. Ab Damp querab konnte ich etwas höher an den Wind gehen, so dass ich zwischen beiden Bohrinseln durchsegeln konnte. Allerdings hat es nicht ganz über die Eckernförder Bucht gereicht, ich musste vor Stohl/Steilüste Dänisch Nienhof einen Schlag nach Nordost machen, etwa bis zur Tonne Stollergrund-N. Von da aus ganz hart am Wind nach Südost, Kurs haargenau in die Einfahrt Marina Wendtorf. Vor der Kieler Förde frischte der Wind unangenehm auf 5-6 auf, und das Segeln wurde immer holpriger und nasser. Ich hätte eigentlich das Groß reffen sollen, aber das wäre nicht so einfach gewesen allein. Es ging auch so noch. Bin dann ohne Probleme in Wendtorf eingelaufen und angelegt um 16:30; reine Fahrtzeit Maasholm - Wendtorf 5h 30 min. für laut Log 25 sm; das macht einen Schnitt von knapp 5 kn, und das kann sich durchaus sehen lassen!
22. August
Nachtrag
Es war eine weise Entscheidung, gestern zu segeln: Heute bedeckter Himmel und regnerisch, mit schwachen westlichen Winden. Somit hatte ich unglaublicherweise vom ersten bis zum letzten Tag NONSTOP SONNE!!!